Der 7. Lehrling (German Edition)
Sichtbares. Hast Du schon einmal einen Gegenstand bewegt, ohne ihn zu berühren?“
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Milan war am Vormittag aufgebrochen. Er wollte wissen, wie belastbar sein Gelenk wieder war. Die Lehrlinge hatte er angewiesen, Rohlinge für Hufeisen zu schmieden, dabei brauchten sie keine größere Aufsicht.
Im Westen von Filitosa lag ein kleiner, aber hoher Berg aus Kalkstein, der im Dorf nur „der Kalkfelsen“ genannt wurde. Mit Seil, Trinkflasche und festen Schuhen ausgestattet machte sich Milan an den Aufstieg. Er war schon früher gern hier geklettert und hatte sich für den heutigen Tag eine mittelschwere Strecke ausgesucht.
Der Marsch zum Fuß des Berges hatte ihn so weit aufgewärmt, dass er ohne weitere Vorbereitungen mit dem Aufstieg beginnen konnte. Zuerst schonte er noch seinen linken Fuß bei den anstrengenden großen Absätzen, dann aber vertraute er der Wirkung der Heilsalbe immer mehr. Schließlich änderte er seine anfängliche Technik und überließ alle schweren Schritte und Absätze seinem linken Bein. Es funktionierte prächtig.
Kurz nach Mittag war er oben angekommen.
Keine schlechte Zeit
, dachte er bei sich und streckte sich der Länge nach in der Sonne aus. Sein Fußgelenk tat keinen Mucks. Alles war wieder in Ordnung.
Nach etwa einer Stunde Rast brach er wieder auf. Er wählte einen nicht so anstrengenden, dafür von der Aussicht her umso schöneren Weg aus. Hierher würde er mit Amina auch einmal gehen, nahm er sich vor. Er trank noch einen langen Schluck aus seiner Flasche, dann machte er sich wieder an den Abstieg.
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Nach dem Mittagessen brach Quentin zum Markt auf. Das war in Balsberg sicher der interessanteste Platz von allen. Was es dort zu entdecken gab! Allein den vielen Leuten beim Streiten um die schönsten Sachen und Feilschen um den günstigsten Preis zuzusehen machte einen Riesenspaß.
Quentin setzte sich auf den Rand des großen Brunnens in der Mitte des Marktplatzes und sah dem bunten Treiben zu. Er lernte mit der Zeit allein durchs Zuschauen, wie die Händler geschickt hier und da ein nicht mehr so ansehnliches oder überreifes Stück unter die Ware mogelten, wie sie die Waage dazu brachten, ein klein wenig mehr anzuzeigen, und sah auch ihre versteckte Freude, wenn sie beim Feilschen offensichtlich einmal mehr der wirkliche Sieger geblieben waren.
Das wollte er nach einer Weile selbst ausprobieren. Er ging zu einem Obsthändler und verlangte nach einem Pfund frischer Pflaumen. Er achtete ganz genau auf die Hände des Händlers, als der die Pflaumen in eine Papiertüte steckte, und bekam gerade noch rechtzeitig mit, dass eine Frucht von weiter hinten in der Tüte landete. „Die da, die letzte Pflaume, möchte ich nicht, die ist nicht mehr gut“, sagte er zum Händler.
„Wie? Was? Willst Du etwa behaupten, ich würde kein frisches Obst verkaufen?“, polterte der Händler.
„Und Ihr, wollt Ihr einen kleinen Jungen um seinen sauer verdienten Lehrlingslohn bringen?“, fragte Quentin so laut, dass es die umstehenden Leute mitbekamen und sich neugierig umdrehten. Da gab der Händler schnell klein bei. Seinen Ruf wollte er nicht aufs Spiel setzen.
„Hier, ich gebe Dir noch drei Pflaumen drauf, und Du bekommst alles zu einem günstigen Preis. Auch wenn es nicht stimmt, was Du da behauptest, ich lasse mir bestimmt nicht nachsagen, ich würde Lehrlinge ausnehmen!“ Er tönte so laut, dass es ringsum alle mitbekommen mussten. Zufrieden wandten sich die Marktbesucher wieder ihren eigenen Geschäften zu.
Quentin ging mit stolzgeschwellter Brust zurück zum Brunnen und aß genüsslich und grinsend seine Pflaumen.
Das war nicht schlecht! Simon wäre bestimmt stolz auf mich!,
dachte er bei sich.
Durch den Gedanken an Simon schlug seine gute Stimmung allerdings um. Er sehnte sich nach seiner Kameradschaft und der Unbeschwertheit, mit der sie im Dorf herumtollen konnten. Das alles war vorbei. Wenn er Simon das nächste Mal begegnen würde, wären sie beide schon Gesellen und viele Jahre älter.
Quentin hatte keine Lust mehr auf den Markt. Er schlenderte zur Mühle zurück, setzte sich im Schatten eines großen Baumes an den Mühlbach und warf kleine Steine hinein.
So fand ihn nach einer Weile Finja, die hinter dem Haus Wäsche aufhängen wollte. Sie merkte sofort, dass mit Quentin irgendetwas los war, und bat ihn, ihr zu helfen. Sie erzählte ein paar lustige Geschichten und riss ihn damit nach und nach aus seiner Traurigkeit. Nach einer Weile hatte sich Quentins
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