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Der 7. Lehrling (German Edition)

Der 7. Lehrling (German Edition)

Titel: Der 7. Lehrling (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Hesse
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sich auf, zog seine Sachen wieder an und machte sich auf den Heimweg. Die Forellen waren gut in seinem Rucksack verstaut. Vor lauter Vorfreude auf das Abendessen knurrte ihm schon der Magen!
     
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    Das Dorf hatte sicherlich einhundertfünfzig Einwohner, schätzte Milan, als er noch etwa eine Viertelstunde entfernt war. Bei dieser Größe musste es auch ein ordentliches Wirtshaus geben. Mit einem weichen Bett! Milan hatte seit fast zwei Wochen ausschließlich unter freiem Himmel übernachtet und freute sich schon darauf, am heutigen Abend im Duft von frisch gestärktem Leinen einzuschlafen. Er setzte seinen Rappen in Trab und steuerte zunächst den Dorfplatz an, wo er das Pferd am Brunnen tränken wollte.
    Der Dorfplatz war ausgesprochen schön. Der Brunnen befand sich im Mittelpunkt einer Gruppe alter Hainbuchen, deren weit ausladende Blätterdächer den ganzen Platz in angenehmen Schatten tauchten. Unter einer dieser Buchen saß eine Gruppe junger Mädchen, die Milans stattliche Erscheinung bei seiner Ankunft fasziniert und zugleich neugierig anstarrten. Eines der Mädchen hielt ein kleines Kind in der Armbeuge, offenbar Bruder oder Schwester, das die ganze Zeit weinte. Sie sprach tröstend auf das Kind ein, schaukelte es hin und her, aber das Weinen wollte nicht aufhören.
    Milan lenkte sein Pferd zum Brunnen und sprang mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Sattel. Seine Füße hatten den Boden noch nicht berührt, da stellten sich plötzlich seine Haare auf den Armen auf, und ein bekanntes Kribbeln schoss durch seine Magengegend: Hier war ein magischer Mensch!
    Während er langsam das Pferd absattelte und mit der Decke trockenrieb, lauschte Milan in sich hinein, um die Richtung festzustellen, in der seine Entdeckung sich aufhielt. Es war eindeutig: Jemand in der Mädchengruppe war ein Mitglied seiner Gemeinschaft! Vorsichtig blickte er hinüber, während er weiter so tat, als kümmerte er sich um seinen Rappen. Sie waren in etwa zwischen Vierzehn und fünfzehn Jahre alt – perfekt! Aber wie sollte er aus den zehn Mädchen das richtige herausfinden? Wenn er anfing, hinter jeder Einzelnen herzugehen, wurde er spätestens bei der fünften mit Sicherheit von erbosten Vätern aus dem Dorf gejagt. Keine wirklich gute Idee!
    Dann fiel ihm etwas ein: Er war schließlich auf der Suche nach einem Gasthaus. Das hätte er zwar mit wenig Mühe auch selbst gefunden, aber danach zu fragen konnte ihm niemand übelnehmen. Milan ließ sein Pferd weiter am Brunnen trinken und wandte sich den Mädchen zu.
    Er hatte vorher schon bemerkt, dass sie ihn die ganze Zeit beobachtet und hinter vorgehaltenen Händen ausgiebig getuschelt hatten. Aber als er jetzt auf sie zuging, musste er fast lachen. Die Mädchen knufften sich gegenseitig mit den Ellenbogen an, mehr als einmal hörte er: „Er kommt! Er kommt her!“ Einige liefen knallrot an und ordneten ein wenig ihre Kleider oder Haare, lauter aufgedrehte junge Mädchen auf dem Weg zum Erwachsenwerden.
     
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    Milan saß der Schalk im Nacken. Er wandte sich an niemand Bestimmten, als er fragte: „Guten Tag, junge Damen. Gibt es an diesem beschaulichen Ort ein Wirtshaus, in dem man auch übernachten kann?“ Gleichzeitig versuchte er zu erkennen, welches der – immer noch kichernden – Mädchen die magische Ausstrahlung verursachte.
    Das Mädchen mit dem Kind auf dem Arm deutete quer über den Platz. „Wenn Ihr dort hinüberschauen wollt: Es ist gleich das Haus an der Ecke, das Wirtshaus „Bärenbad“. Dort bekommt Ihr eine gute, reichliche Mahlzeit und auch ein weiches Bett zum Schlafen. Die Spezialität des Hauses sind Wildgerichte, und so weit mir bekannt ist, gibt es heute Wildschwein.“
    „Vielen Dank, junges Fräulein“, antwortete Milan mit absichtlich übertriebener Höflichkeit und einer angedeuteten Verbeugung, was bei den Mädchen eine erneute Kichersalve auslöste. „Aber eins würde mich dann doch interessieren: Woher wisst Ihr, dass es heute Wildschwein gibt?“
    Das Mädchen spielte Milans Spiel mit und lächelte huldvoll, so weit das im Sitzen möglich war. „Das ist recht schnell erklärt, edler Herr: Mein Vater ist der Wirt dieses hervorragenden Gasthauses. Und da ich höchstselbst nach dem Mittagessen das Abendgericht auf die große Tafel im Schankraum geschrieben habe, sollte ich doch mit einiger Sicherheit wissen, was meine Mutter in der Küche zubereitet.“
    Nun musste Milan auch lachen und beendete die kleine Maskerade. Allerdings hatte er

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