Der 7. Lehrling (German Edition)
spät: Amina hatte den Kartenausschnitt sofort wiedererkannt, schließlich hatte sie das ganze Land tagelang auswendig lernen müssen. Zwei und zwei konnte sie selbst zusammenzählen. Zwischen ihren zusammengekniffenen Lippen presste sie mit wütendem Blick in Linneas Richtung noch ein „Entschuldigung!“ heraus, dann verließ sie mit vor Zorn glühenden Wangen den Saal. Laut krachte die Tür ins Schloss.
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„Wir sollten es ihnen sagen“, unterbrach Nuria das peinliche Schweigen im Convenium.
„Auf keinen Fall“, widersprach Samuel. „Es würde sie nur verwirren. Schlimm genug, dass bereits die
Horden
für Unruhe sorgen. Wir brauchen im Moment alles andere als eine weitere Ablenkung!“ Sein Blick wanderte fragend zu Korbinian.
„Ich bin ein bisschen euer beider Meinung“, sagte dieser. „Wir können mindestens so lange nichts sagen, bis wir wirklich wissen, was er will. Wenn wir dann eine Entscheidung getroffen haben, was wir unsererseits unternehmen, dann werde ich es allen sagen. Egal, wie weit die Suche bis dahin gediehen ist.“ Zustimmendes Nicken in der Runde. „Wir sollten jetzt essen gehen und ein wenig die erhitzten Gemüter beruhigen. Was meint ihr?“ Mit einem Zwinkern in Linneas Richtung erhob er sich.
Die stöhnte hörbar und stand ebenfalls auf. „Ist ja nicht so, dass ich das heute nicht schon einmal gemacht hätte ... Na dann: auf in den Kampf!“ Alle wandten sich dem Ausgang zu.
Auf dem Weg zum Speisesaal flüsterte Samuel Korbinian zu: „Ich würde zu gern wissen, warum er zurückgekommen ist ...“
Dieser nickte ernst. „Ich auch, mein Lieber. Ich auch.“
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Bereits vor Sonnenaufgang war Quentin unterwegs, während Finja und Falk noch schliefen. Die Angel über der Schulter, einen kleinen Rucksack mit Proviant auf dem Rücken marschierte er zum See.
Falk hatte ihm gestern abend noch seine Angel angeboten. Natürlich hatte er nicht nein gesagt! Das war mal etwas anderes als die selbst gebaute Rute, die er auf seiner Wanderung benutzt hatte! Mit einer richtigen Spule dran, einem gedrechselten und bunt angemalten Schwimmer kurz über dem Angelhaken! Die Gedanken an seine Wanderung führten ihn wieder zurück in sein Heimatdorf, zu seinen Eltern, Geschwistern und Simon. Wenn die alle wüssten, dass er jetzt eine Lehre angefangen hatte, mit Lohn und allem Drum und Dran! Während er weiter seinen Weg entlangstapfte, malte er sich aus, wie er nach Hause zurückkam und allen von seinen tollen Erlebnissen in der Mühle berichtete. Wie er seinem Vater die Sache mit der Laufschiene erklärte und dieser ihm anerkennend auf die Schulter klopfte.
Fast war er überrascht, als der See vor ihm auftauchte. Den ganzen Weg über hatte er vor sich hingeträumt! Die ersten Sonnenstrahlen kletterten gerade über den Horizont. Über dem Wasser schwebten hier und da noch ein paar Nebelfetzen, während der aufkommende morgendliche Wind die Oberfläche sanft kräuselte und das Spiegelbild der Büsche und Bäume am Ufer verwischte. Nicht weit von ihm äste in Ufernähe ein Sprung Rehe. Wie damals auf seiner Wanderung schaute eines der Tiere kurz hoch, machte aber keine Anstalten zu fliehen. Stiller Friede lag über der ganzen Landschaft.
Leise befreite Quentin das Boot aus seinem Versteck und ruderte mit vorsichtigen Paddelschlägen auf den See hinaus. Inzwischen war die Sonne ein Stückchen höher geklettert und wärmte Quentins Gesicht.
Hier und da sprangen Fische auf der Jagd nach den ersten Insekten aus dem Wasser – die beste Zeit zum Angeln, abgesehen vielleicht von der Stunde vor einem Gewitter, wenn alle Fische verrückt spielten. Vorsichtig machte Quentin einen Mehlwurm am Haken fest und warf mit einem weiten Schwung die Angel aus. Sirrend lief die Angelschnur von der Spule, bis der Köder ins Wasser eintauchte und nur noch der bunte Schwimmer hüpfend anzeigte, wo das heutige Abendessen sich einfinden sollte.
Es dauerte nicht lange, bis Quentin vier ordentliche Fische gefangen hatte. Das würde ganz sicher für das Abendessen reichen! Zufrieden zog er seine Sachen aus und ließ sich mit einem Siegesgeheul über Bord fallen, das alle Enten, Haubentaucher und sonstigen Vögel in seiner Nähe erschrocken aufflattern ließ. Schwimmend zog er das Boot zum Ufer zurück und versteckte es sorgfältig, bevor er sich zum Trocknen auf eine sonnige Wiese legte – und fast sofort einschlief.
Als Quentin wieder aufwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Schnell rappelte er
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