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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
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hellen Kopf hatte und einer Mitschülerin sogar die Bruchrechnung beibrachte. Ich hatte sie einfach aus Oberheidau mit nach Hause gebracht. Die beiden stammten aus Frechen bei Köln und mussten die Gegend aufgrund der vielen Alarme, die wenig Unterricht zur Folge hatten, verlassen. 
       Ursula wuchs langsamer als ich dachte. Wie das so ist, haben die meisten Kinder nicht sonderlich viel Geduld und so war es auch bei mir. Gern habe ich in dieser Zeit nicht mit Ursula gespielt, sie hatte ein Kindermädchen und war mir immer noch zu klein. Viel lieber wollte ich mit meiner älteren Schwester mitgehen, aber fünf Jahre Altersunterschied waren wiederum zuviel für Ruth. Sie brauchte mich nicht mitzunehmen, wenn sie mit der ganzen Schar ihrer Freundinnen losging. Außerdem durfte sie in den Sommermonaten schon sonntags die 17 Uhr-Vorstellung besuchen, während ich mit der um 14 Uhr zufrieden sein musste.
    Einmal musste sie aber doch meine Freundinnen und mich mitnehmen: Ruth war mit ihren Klassenkameraden im Parchwitzer Schwimmbad, als ein Gewitter aufzog und das Bad geschlossen werden musste. Die Bademeisterin ließ uns als letzte durch die Tür und sah, dass sich eine Gruppe mit Fahrrädern versammelte. Nach kurzem „Wohin?“ forderte sie die Jungen aus Ruths Gruppe auf, uns auf ihren Rädern mitzunehmen und nach Hause zu bringen. Die Jungen machten es anstandslos und wir kamen ohne Probleme wieder nach Heidau zurück. Die Solidarität unter uns Schwestern hielt sich in Grenzen, wenn jedoch jemand gewagt hätte, einem von uns Schaden zuzufügen, hätten wir ohne Zweifel zusammengehalten wie Pech und Schwefel. Diese Situation hatte sich bis dahin aber nicht ergeben, wir kannten uns alle gut und jeder hatte seinen Freundeskreis.
       In der Heidauer Schule hatte ich eine außergewöhnliche Stellung, die ich eigentlich gar nicht wollte. Unser Lehrer durfte mit der Oberklasse im Herbst auf unserem Feld Kartoffeln einsammeln, und mein Vater hatte ein bestimmtes Stück mit der Kartoffelschleuder bearbeiten lassen, so dass der Lehrer seine Winterkartoffeln hatte. Er und die Schüler brauchten sie dann nur noch aufzulesen. Erbsen musste ich auch nicht pflücken, wäre aber gerne mit den anderen Kindern aufs Feld gegangen. Stattdessen wurde ich als Fünftklässlerin beauftragt, bei einem aus der achten Klasse Aufsicht zu halten. Er sollte nachsitzen, weil er die Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Er schien mir nicht sehr intelligent zu sein, aber ich will ihm kein Unrecht tun, denn es ist anzunehmen, dass er auf dem heimatlichen Hof arbeiten musste und keine Zeit zum Lernen und für Hausaufgaben hatte.
       Ich brachte meinen Eltern manchmal etwas mit nach Hause. Einmal waren es Seidenraupen für Fallschirmseide, die ich mit Packpapier auf dem großen Konzertflügel ausbreitete. Jeden Tag pflückte ich Maulbeerblätter nach der Schule und legte sie auf die Raupen. Ein anderes Mal war es sogar eine kleine Familie. Großmutter, Mutter und ein zweijähriges Mädchen aus einer westdeutschen Großstadt sollten in ein Auszughaus zu einer alten Frau ziehen, wovor es ihnen grauste. Mir auch.
       Wir Schulkinder mussten die Evakuierten zu den Adressen bringen. Schließlich nahm ich sie kurzentschlossen mit zu uns, und sie wohnten dann oben in einem Gästezimmer. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es Verwunderung zu Hause gab. Heute weiß ich, meine Eltern hätten nicht anders handeln können, sie waren immer hilfsbereit und so wurden auch wir Kinder erzogen.
       Von Ursula Köhler bekam ich Rollschuhe aus deren Kinderzeit und ich lief damit auf den wenigen geteerten Straßen im Dorf. Schlittschuhe, oder besser gesagt, Stahlkufen zum Anschnallen, hatten wir alle. Ruth war die einzige mit weißen Schlittschuhen, die sie von Onkel Ferdinand aus Frankreich bekommen hatte, der dort als Soldat dienen musste. Sie und ich hatten auch jeweils ein Paar Ski, aber leider gab es in Heidau keinen Berg und so konnten wir uns nur mit Langlauf vergnügen. Der Hirseberg war zu weit weg und nur zum Schlittenfahren geeignet, was aber auch lustig war. Die Winternachmittage waren immer sehr kurz und wir mussten uns frühzeitig auf den Heimweg machen, um vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein. Die Wege waren unbeleuchtet, selbst im Dorf gab es keine Straßenbeleuchtung. Dunkel hieß tatsächlich dunkel. Meistens waren wir trotz langer Hemdhosen und gestrickten Wollstrümpfen durchgefroren und führten zu Hause in der Küche einen Tanz

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