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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
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zufielen und ihre Köpfe nach vorn sanken. Ich entwickelte ein Spiel und wettete mit mir selbst, wer wohl die nächste sei. Paul sah dann, was ich machte, lächelte und kümmerte sich wieder um das Radio. Für die Erwachsenen war es schon wichtig zu hören, was so vor sich ging, denn alle hatten ja die Hoffnung, der Krieg sei bald zu Ende und man könnte zur Normalität zurückkehren. Wie wenig wussten wir, was noch alles vor uns lag.....
       Zu Hause in Heidau mussten wir Kinder immer zeitig nach dem Abendessen ins Bett gehen, im Sommer aßen wir um sieben, im Winter um sechs Uhr. Ich genoss es also in Klein-Bischwitz bis um zehn Uhr aufzubleiben, obwohl ich natürlich auch müde war, aber Erwachsene beim Einschlafen zu beobachten war einfach zu interessant und eine willkommene Abwechslung.
       Es gab dort auch ein paar Kinder, mit denen ich spielte. Besonders erinnere ich mich an Erika, die schon Ruths Freundin war und in einem kleinen Haus wohnte, das noch mit Stroh gedeckt war. Sie war eine wilde Hummel und wir haben oft herumgetobt. Trotz der Ferien musste ich jeden Tag eine Seite Schönschrift verfassen und zwar in einem Heft mit Doppellinien. Wenn es voll war, wurde ich mit dem Fahrrad nach Groß-Bischwitz zur Lowak-Tante geschickt, die einen Tante-Emma-Laden besaß, und dort kaufte ich ein neues Heft ohne ein altes abzugeben, denn das musste ich ja dem Lehrer nach den Ferien vorzeigen. Man musste normalerweise ein altes abgeben, wenn man ein neues kaufte. Als es dann soweit war, hatte der Lehrer vergessen, was er mir aufgegeben hatte und ich brauchte es nicht vorzuzeigen. Nach einer Woche fuhren Trude und Paul zurück nach Glockschütz, wo Trude die Landwirtschaft führte, nachdem der älteste Bruder Josef auch zur Wehrmacht eingezogen worden war. Sie kümmerte sich um alles auf dem Hof, den sonst Josef leitete.
       Meine Großmutter Pauline verstand sich nicht gut mit ihrer Schwiegermutter, in deren Haus sie früher wohnte. Pauline muss eine gut aussehende, aparte junge Frau gewesen sein und wurde zur Auslieferung der Lohnware nach Breslau zu den Kürschnern geschickt. Es ging dann darum, den Gerblohn in voller Höhe zu bekommen. Sie arbeitete aber auch in der Gerberei und erzählte, sie lege sich abends ins Bett und im Nu sei die Nacht vorbei. Sie habe ihren Mann gebeten, sie zu wecken, wenn er mal aufwachte, damit sie merke, dass sie noch weiterschlafen könne. Ein anderes Mal hörte ich sie sagen, dass sie als Kind gehungert hatte und deshalb an guten Tagen ein Stück Brot zum Trocknen unter ihr Bett gelegt hätte, um es an schlechten Tagen, hart geworden, zu essen. Ihr Vater ging zur Arbeit und brachte manchmal auf dem Heimweg zwei Fische mit. Einen bekam er, der andere wurde an die Familie verteilt. Während einer Diphterie-Epidemie starben ihre Geschwister, nur sie und Tante Christine blieben am Leben.
       Pauline heiratete mit neunzehn Jahren Paul Maiwald und ihre siebzehnjährige Schwester Christine, Pauls Bruder Otto. Beide Männer waren im Ersten Weltkrieg, Paul kam noch nach Hause und lag lange Zeit im Koma, ehe er 1919 starb. Sein Bruder ließ sein Leben im Krieg und Tante Christine war nun Witwe mit ihrem einzigen Sohn Paul, der dann im Zweiten Weltkrieg fiel. Mit ihrem zweiten Ehemann Robert Arlt hatte sie noch vier Kinder. Zwei Söhne fielen im Zweiten Weltkrieg, die Tochter Friedel starb mit achtzehn Jahren an einer Entzündung. Ein kleiner Sohn, fünf Jahre alt, fand beim Spiel mit anderen Kindern Tabletten auf einem Abfallhaufen, schluckte sie und war nicht mehr zu retten. Robert und Christine suchten noch nach Verwandtschaft nach dem Krieg und fanden tatsächlich einen Enkel in der DDR, den sie einige Male besuchten.
     

5. Das Konzentrationslager und die Babuschkas
     
    Irgendwo steht geschrieben:
       „Einen Menschen retten, heißt die ganze Welt retten.“ Dazu erinnere ich mich an die folgende Geschichte:
       Zwei polnische Arbeiter kamen eines Tages auf unseren Vater zu und erzählten ihm von ihrem Problem. Ein Freund namens Karol war abgeholt worden und ins Gefängnis gekommen. Er wurde beschuldigt, seinen Arbeitgeber mit einer Mistgabel bedroht zu haben. Bevor er abtransportiert wurde, hatte er sich noch bei Papa vorgestellt, da er eine neue Arbeit suchte. Karol war ein Zwei-Meter-Mann und Papa hätte ihn gut für eine bestimmte Arbeit in der Gerberei gebrauchen können. Er wurde nicht lange im Gefängnis festgehalten, sondern kam sehr schnell in ein

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