Der 8. Februar (German Edition)
Als Kinder hatten wir keine Schürzen wie die anderen Kinder, die sie nach der Schule umbinden mussten. Auch weiße Schürzen für sonntags hatten wir nicht, wie es sonst in unserer Zeit üblich war. Wir hatten ausreichend Kleidung zum Wechseln für die ganze Woche. Die Wäsche des Hauses wurde wöchentlich in der Diele vor der Küche gewaschen. Zuerst wurde sie eingeweicht und mit Kernseife eingerieben. Während des Krieges kochte Großmutter Pauline selbst Seife auf offenem Koksfeuer im Hof. Sie verwendete Fleischreste aus der Gerberei und gab etwas Kölnisch Wasser dazu, um den Duft zu verbessern. Ursula und mir wurden die Haare mit Eigelb gewaschen und mit Essigwasser gespült.
An ein paar wenigen Sonntagen ging ich mit Onkel Otto zum Angeln und fing sogar einmal einen Fisch. Es war ein Rotauge und ich war überrascht und stolz zugleich. Ich machte mich dabei etwas schmutzig, das war aber kein Problem. Wir hatten eine stabile Miele Waschmaschine und eine elektrische Winde, die an ihr angebracht war. Damit konnte man die nasse Wäsche auspressen. Die Wäsche wurde dann auf dem obersten Dachboden aufgehängt. Auf dem vorletzten Boden gab es eine Mangelkammer, wo die Bettwäsche und die Damasthandtücher gemangelt wurden. Die Mädchen mussten also die Körbe mit der nassen Wäsche drei Treppen nach oben tragen, wo sie dann auch gebügelt wurde. Im Sommer wurden die Wäscheleinen im Garten benutzt, die sich entlang des Zaunes befanden. Auf der anderen Seite hatten die Hühner ihren Auslauf. Der Gänsestall war seitlich am Haus, und die Gänse wurden morgens auf die Koppel getrieben, auf der auch die Hindernisse für Papas Pferde zu finden waren. Seit Kriegsbeginn trainierte er aber nicht mehr. Ich glaube, das fehlte ihm sehr, obwohl er in unserer Gegenwart nicht darüber sprach. Pferde waren seine Leidenschaft und das Springreiten sein liebstes Hobby. Der Krieg änderte alles.
Papa hörte jeden Morgen sehr früh den Nachrichten im Radio zu. Es war aber kein deutscher Sender, sondern die BBC in deutscher Sprache. Das war natürlich verboten und er musste immer vorsichtig sein.
4. Onkel Paul und das Radio
Manchmal gab es zwischen meinen Eltern wegen der Klein-Bischwitzer Verwandtschaft Streit und Mama versteckte sogar meine Puppe, die ich von dort geschenkt bekommen hatte, damit Papa sie nicht sah. Es waren alte Geschichten, die in vielen Familien vorkamen und noch vorkommen. Mamas Brüder mochten Artur nicht und sagten schon vor der Hochzeit zu Mama:
„Was willst du denn mit dem, der hat nur große Rosinen im Kopf, du wirst schon sehen wie weit er damit kommt!“
Sie waren wohl ein bisschen neidisch. Einzig Onkel Paul und Tante Trude waren loyal und durften auch oft nach Heidau kommen. Paul war in einer Fabrik namens Borsig als Lokführer beschäftigt und wurde deshalb nicht eingezogen. Ich war zweimal in den Ferien in Klein-Bischwitz, mit acht und mit neun Jahren. Trude und Paul holten mich in Heidau ab, wonach uns Papa zum Bahnhof nach Jeschkendorf brachte. Dann fuhren wir mit der Bahn nach Breslau und stiegen auf die dort angeketteten Fahrräder um, wobei ich mich hinter Onkel Paul auf den Gepäckträger setzte und mein Gepäck auf Tante Trudes Fahrrad befestigt wurde. So fuhren wir drei nach Klein-Bischwitz. Die beiden halfen dort bei der Ernte, weil die anderen Männer bei der Wehrmacht waren. Wenn Paul nach Feierabend mit dem Fahrrad zu uns kam, fuhr er nach dem Essen noch Futter machen. Er mähte das Gras mit der Sense, lud es auf einen Pferdewagen, das Pferd hieß übrigens Hans, und fuhr wieder nach Hause. Das hört sich heute alles leicht an, aber es war harte Arbeit und es war sehr zeitintensiv.
Ich durfte mitfahren, half ihm ein wenig beim Aufladen und es war bereits dunkel, als wir wieder zu Hause ankamen. Dann wurde das Pferd abgespannt und versorgt, wir wuschen uns die Hände und gingen ins Wohnhaus. Paul setze sich gleich vor den Batterie betriebenen Volksempfänger und bastelte daran herum, denn das ganze Dorf war noch nicht ans Stromnetz angeschlossen, obwohl es einen Flugplatz der Luftwaffe nicht allzu weit von Klein-Bischwitz gab. Endlich kamen die ersten Geräusche aus dem Lautsprecher, dann konnte er einen Teil der Nachrichten heraushören, der Empfang war wirklich schlecht. Das Spannendste für mich war jedoch das Beobachten der Oma und der Tanten, wie sie so im Halbdunkel um den Esstisch saßen und eine nach der anderen vor Müdigkeit die Augen
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