Der 8. Februar (German Edition)
auf dem Kachelfußboden auf, um die Füße wieder warmzukriegen. Dann gab es ein heißes Fußbad in der Zinkwanne und anschließend Abendessen mit den Eltern.
Wir strapazierten unsere Hausmädchen ganz schön, besonders meine Schwester Ruth. Sie stand einmal zu spät auf, und die Hausmädchen sprangen sofort um sie herum, alles musste sehr schnell gehen. Ruth ließ sich die Rechenaufgaben bei Papa im Bett erklären, dann frühstückte sie, gleichzeitig wurden ihr von Maria die Haare geflochten und von Lucie die Schuhe geputzt und angezogen. In dem Moment kamen dann auch noch ihre Schulfreunde und standen wartend in der Küche. Ruth wurde in letzter Minute fertig und gemeinsam machten sich dann alle auf den Schulweg.
Einmal hörte ich ungewollt zwei Postmädchen bei ihrer Unterhaltung zu, die mich einigermaßen verwirrte. Meine beiden Schwestern nannten sie Prinzessinnen, Ruth war Dornröschen und Ursula Schneewittchen, mich erwähnten sie in diesem Zusammenhang nicht....
Ruth war in der Oberklasse, deren Unterricht um acht Uhr begann, während mein Schulbeginn zehn Minuten vor neun war. Eine große Anzahl Lehrer wurde eingezogen, demzufolge wurden viele Klassen zusammengelegt. In unserer Dorfschule wurden die Klassen 1 und 2 in einem Raum, die Klassen 3 und 4 in einem anderen Raum unterrichtet. Unsere Lehrerin Fräulein Mantell war eine Offizierstochter und kam jeden Morgen mit dem Motorrad aus Liegnitz. Als es später auch für sie kein Benzin mehr gab, übernachtete sie in Heidau. Kantor Kretschmer unterrichtete die Oberklasse vom 5. bis 8. Schuljahr. Der Schulleiter und Lehrer Otto Kretschmer war der Vater des später hochdekorierten Marineoffiziers Otto Kretschmer jr (Korvettenkapitän, Ritterkreuz mit Schwertern und Brillianten) und des Jagdfliegers Joachim Kretschmer, der vor dem Krieg, während Ruths Pause, mehrmals tief mit seinem Flugzeug über dem Schulhof hinweggedonnert war. Seine Maschine wurde wenige Monate nach Kriegsbeginn abgeschossen und er kam dabei ums Leben. Sein Bruder wurde erfolgreichster U-Boot-Kommandant und wurde mehrfach ausgezeichnet. Ruth und ich sind also nie zusammen in einem Klassenraum gewesen, was vielleicht ein Spaß gewesen wäre.....
In Heidau gab es noch einen Hof Staude, dessen Scheune 1941 vom Besitzer angezündet wurde, der daraufhin ins Gefängnis musste. Der Besitzer war pleite und wusste keinen anderen Ausweg. Papa kaufte den Hof bei der Versteigerung und schaffte neuen Wohnraum für die polnischen Arbeiter unseres Betriebes. Ich sah das Feuer mitten in der Nacht. Die Flammen loderten sehr hoch und ich wurde durch den Lärm der Freiwilligen geweckt, die versuchten, den Brand zu löschen.
Später, ab 1942, wurden in Dahme, unserem zweiten Gut, Tschechen eingestellt, darunter eine Frau Wladislawa Pollock mit zwei Töchtern, die etwas älter als Ruth waren. Wally war dreiundzwanzig und Nelly einundzwanzig Jahre. Frau Pollock wandte sich an Papa und bat ihn, Nelly zur Hausarbeit einzuteilen, da sie herzkrank war und schwere Arbeit in der Landwirtschaft nicht leisten konnte. Ich hörte, wie sich meine Eltern besprachen und entschieden, alle drei nach Heidau zu holen. Sie wohnten im Dachgeschoss, wo wir zwei Dienstmädchenzimmer und zwei kleine Gästezimmer hatten. In einem der Gästezimmer wohnten dann alle drei, im anderen übernachtete Onkel Otto an den Wochenenden.
Frau Pollock arbeitete bei Mama in der Zurichtung, wo alle Kaninchenfelle sortiert und wenn nötig, nachbearbeitet wurden, denn manchmal waren die Haare etwas verfilzt und mussten mit Stahlkämmen in Ordnung gebracht werden. Diese ganze Abteilung war Mama unterstellt und es waren dort fünfzehn bis zwanzig Frauen beschäftigt. Wally war ausgebildete Schneiderin und von da an brauchten wir Frl. Käthel nicht mehr. Nelly strickte für uns, wurde in den Büchern geführt, musste aber nicht wie die anderen arbeiten. Sie machte sehr schöne Handarbeiten und wir mochten alle drei sehr gern.
Als Onkel Otto, Papas Bruder, eines Sonntags wieder einmal zum Angeln nach Heidau kam, erzählte er ihm, dass es einem Schulfreund meines Vaters sehr schlecht ginge und dessen einziges Arbeitspferd gestorben war. Es gab kein anderes zu kaufen, zudem hatte er auch nicht das Geld. Papa überlegte nicht lange und sagte ihm, er werde sich darum kümmern. Am darauffolgenden Samstag wurde eines unserer Pferde aufgeladen, und Papa fuhr los, um es seinem Freund zum Geschenk zu machen.
Es war 1942.
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