Der 8. Tag
Straße keinen Gegenverkehr.
Dann sah er in einiger Entfernung auf der Straße vor sich weitere blaue Lichter aufleuchten. Augenblicke später erleuchteten seine Scheinwerfer zwei weiße Streifenwagen, die quer über der Straße standen. Kein Wunder, dass es in den letzten paar Minuten keinen Gegenverkehr gegeben hatte.
Wieder hatte er keine andere Möglichkeit als zu bremsen, doch diesmal erinnerte er sich daran, den linken Fuß zu nehmen. Der Wagen begann zu schleudern. Er hob den Fuß und benutzte die Stotterbremse. Dadurch erhielt er die Kontrolle zurück, doch mit nur noch zwanzig Metern Abstand zu den Polizeiwagen, war ihm klar, dass er es nicht schaffen würde.
Er trat mit dem linken Fuß so fest er konnte auf die Bremse und lenkte den Wagen auf den Seitenstreifen.
Er prallte vom Heck eines der Streifenwagen ab und kam schräg im Straßengraben zum Stehen. Eine dichte Hecke, in die er ein großes Loch gerissen hatte, hatte den Aufprall gemildert. Und wenn er nicht den Sicherheitsgurt angelegt hätte, dann wäre er jetzt noch schwerer verletzt als er es schon war.
Eilige Schritte und ärgerliche Stimmen schienen aus hunderten von Kilometern Entfernung durch einen langen Tunnel auf ihn zuzukommen. Als nächstes erinnerte er sich, dass die Fahrertür aufgestemmt wurde und man ihn herauszog.
»Er ist verletzt!«, rief jemand. »Ruft einen Krankenwagen.«
»Nein!«, hörte er eine andere Stimme schreien, die er nur schwach als seine eigene erkannte. »Hören Sie mir zu, Sie müssen mir zuhören!«
74
ALS SIE DIE im Dunkeln liegende Treppe halb hinunter waren, verspürte sie den Drang laut aufzulachen. Sie unterdrückte diesen Anflug von Hysterie, doch er musste etwas bemerkt haben, denn er blickte sie misstrauisch an.
»Was ist los?«, fragte er.
»Ich habe mir gerade vorgestellt, wie wir beide aussehen«, antwortete sie. »Der ehrenwerte Lord und die Lady des Hauses kommen Arm in Arm die Freitreppe herunter.«
Er begann zu grinsen. »Ja, du hast Recht. Es wirkt irgendwie gediegen.«
Nach ein paar weiteren Stufen fragte sie: »Was passiert jetzt?«
»Das besprechen wir, wenn wir hier heraus sind.« Er sprach, als würde er ein Kind beruhigen.
Doch sie wusste, wenn sie erst einmal hier heraus wären, dann würde sie sterben. Sie wusste nur nicht, wo und wann.
Die Fotos, die er ihr gestern gezeigt hatte, hatten ihr einen guten Eindruck vermittelt, auf welche Art.
Sie hatte nicht vor sich wie ein Lamm zur Schlachtbank führen zu lassen, nur damit er es einfacher hatte. Sie hatte vor etwas zu unternehmen, wusste nur nicht, was. Sein Griff um ihr Handgelenk, das Messer, das an ihrem Arm lag und jederzeit zwischen ihre Rippen fahren konnte, ließen ihr wenig Raum für eine Aktion. Und selbstverständlich durfte sie niemanden im Institut in Gefahr bringen. Dieser Mann war wahnsinnig und unberechenbar. Die wenigen Leute, die sich um diese Zeit hier aufhielten, hatten, soweit wie sie wusste, keinerlei Waffen zur Verfügung und nicht einer hatte wenigstens den Schwarzen Gürtel in Karate.
Sie musste es tun, bevor sie das Ende der Treppe erreicht hatten. Es war die einzige Möglichkeit ihn zu überraschen. Sie hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt. Sie müsste mit dem Fuß zutreten, ihren Körper so weit herumwerfen, dass sie das Geländer greifen konnte, dann könnte sie sich aus seinem Griff befreien, bevor er mit dem Messer zustoßen konnte. Wenn er weit genug die Treppe hinunterfallen würde, könnte er sich verletzen oder sogar kampfunfähig werden. Zumindest könnte sie mit einigem Glück an ihm vorbeikommen, durch die Seitentür, durch die sie das Gebäude betreten hatten, fliehen und bevor er ihrer wieder habhaft würde, in der Dunkelheit untertauchen.
Es musste jetzt passieren. Später wäre zu spät. Sie trat zu.
Das Adrenalin gab ihr zusätzliche Kraft.
Überrascht stieß er ein Grunzen aus und wusste nicht, was zuerst geschah. Er verstärkte seinen Griff um ihr Handgelenk, aber die Hand, die das Messer hielt, schoss automatisch zur Unterstützung der anderen vor. Als ihre Finger sich um das Treppengeländer klammerten, hörte sie, wie das Messer die Stufen hinunterklapperte. Im selben Moment drehte sie ihren Körper, sodass er, ihr Handgelenk immer noch festhaltend, nach vorne geschleudert wurde. Er ließ los, doch zu spät um den Sturz zu vermeiden.
Sie wartete nicht, bis er unten angekommen war. Mit der Hand am Geländer, zwei Stufen auf einmal nehmend, war sie an ihm vorbei, bevor er
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