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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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schloss die Augen. »Mein Gott.«
    Sie sah, wie der Sanitäter sie anblickte, aber nichts sagte. Sie spürten, wie der weich gefederte Krankenwagen langsamer wurde, dann abbog und wieder beschleunigte. Der Motor wisperte gedämpft von weit her.
    »Ich hätte nichts tun können«, erklärte sie. »Selbst wenn wir jeden Stecker auf der Welt herausgezogen hätten, hätte es sich irgendwo versteckt und darauf gewartet, dass der Strom wieder angestellt wird.«
    Er schaute sie an. »Du hast aber an einer Lösung gearbeitet, stimmt’s? Darum die Geheimniskrämerei.«
    Sie nickte. »Ein Programm. Um das zu zerstören ist Price hergekommen.«
    »Und…?« Er zuckte, als die Nadel in seinen Arm fuhr.
    »Es ist schon eine Ironie des Schicksals«, meinte sie, »dass er gestern, als ich noch glaubte, er sei dein Bruder, etwas gesagt hat, was mich dazu gebracht hat… « Sie blickte auf ihre Hand und fuhr sich abwesend über den Verband.
    »Was hast du getan?«
    Sie schaute ihn wieder an, wollte anfangen zu reden und sah, dass seine Augen geschlossen waren.
    »Es ist nur ein Beruhigungsmittel«, erklärte der Sanitäter.
    »Es ist das Beste für ihn, wenn er schläft.«
    Durch die getönten Scheiben konnte sie den Widerschein des Blaulichts auf den Gebäuden und in den Fenstern sehen.
    Die Sirene war nicht eingeschaltet.
    Joshs Hand lag auf der Decke. Sie griff zögernd, so als hätte sie Angst ihn aufzuwecken, danach und bettete sie in die ihren.
    76
    SIR ANDREW MAUDSLEY hatte schon oft über die möglichen Umstände seines Todes nachgedacht. Er sah das nicht als einen morbiden Zug an, ganz im Gegenteil, im Alter von achtundsiebzig und bei bester Gesundheit, war es für ihn ein Zeichen von Abgeklärtheit, dem Unausweichlichen ins Auge zu sehen. Ein Philosoph hätte sich dieser Beschäftigung auf geistvollere Art gewidmet, ein Künstler hätte vielleicht ein Werk über das Mysterium der letzten Dinge geschaffen, Sir Andrew aber, pensionierter Richter des höchsten Gerichtshofes, ein einfacher Anwalt, als den er sich gerne selbst bezeichnete, versuchte sich einfach den tatsächlichen Vorgang immer dann vorzustellen, wenn er gerade nichts anderes zu tun hatte.
    Heute Nacht aber dachte er nur an das hervorragende Essen, das er am St. Catherine College genossen hatte und dem eine lange Unterhaltung am Kamin des Senior Common Room mit dem Gastgeber, Michael Gearin-Tosh, dem Dekan des englischen Fachbereichs, und einer Hand voll von Gleichgesinnten gefolgt war. Michael hatte ihm ein Taxi für den kurzen Weg zurück zum Magdalen College, dessen Honorary Fellow er war und wo er sich ein paar Tage aufhielt, rufen wollen, aber er hatte es vorgezogen zu laufen. Es war eine klare, trokkene Nacht und er hatte eine kleine Taschenlampe und den Schlüssel zum Fellows Garden dabei, was ihm erlaubte direkt von dem Gelände von St. Catherine auf den Addison Walk, jenem stillen, baumgesäumten Weg entlang des Flusses, der schon zu Magdalen gehörte, zu gehen. Als er seinen Tweed-mantel anzog und seinen weichen Filzhut verwegen auf den Kopf setzte, freute er sich schon auf einen flotten zehn- oder fünfzehnminütigen Fußmarsch, der ihn besser schlafen lassen würde. Als er neben den seinen noch andere Schritte hörte, war er in keiner Weise beunruhigt. Ein akademischer Nachtschwärmer, dachte er sich, der denselben Weg nach Hause nimmt oder vielleicht in die andere Richtung geht. Einmal hatte er sogar noch nach Mitternacht einen jüngeren Dozenten beim Joggen getroffen. Er hob den Strahl der Taschenlampe etwas an um zu sehen, ob die Schritte von jemandem stammten, den er kannte, und erblickte einen jungen Mann, der ihm den Weg verstellte. Der Mann keuchte, als ob er gerannt wäre, und das Haar hing ihm ins Gesicht. Und er hatte ein Messer.
    »Mach das Licht aus«, herrschte ihn der Mann an. Es war ein Amerikaner.
    »Ich werde nichts dergleichen tun«, gab Sir Andrew zurück, obwohl ihm klar war, dass er keine Wahl hatte. Eine Hand schoss hervor und schlug die Taschenlampe zu Boden, der Lichtstrahl erlosch.
    »Und nun«, sagte die Stimme aus der Dunkelheit, »zieh den Mantel aus. Ich glaube den Hut werde ich mir auch nehmen.«
    Sir Andrew blieb ganz ruhig. In seinen Vorstellungen hatte er sich nie etwas wie das ausgemalt. Doch waren bei seinen Fantasien, wie sein Ende wohl sein würde, die Unwägbarkeiten unkalkulierbar. Wichtig war zu wissen, dass es einmal passieren würde, und dann dafür bereit zu sein.
    »Scheren Sie sich zum Teufel, junger

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