Der 8. Tag
HATTE Jonathan Syme seinen Verdacht f ü r sich behalten. Au ß er mit Christopher hatte er mit niemandem ü ber Tessa und seinen Eindruck, dass sie ihn hinhielt, gespr o chen.
Zuerst war Christopher am ü siert gewesen. » Du ä nderst dich, mein Lieber. Das ist deine Midlifecrisis. Deine Hormone denken um, fragen sich, ob sie nicht die ganzen Jahre das Falsche gemacht haben. «
Jonathan lachte, weil er wusste, dass es von ihm erwartet wurde. » Das glaube ich nicht. Um es klar zu sagen, solange ich noch einen Tag unter f ü nfundvierzig bin, habe ich nicht vor mir eine Midlifecrisis andichten zu lassen. «
» Ich bin sicher, sie wird sich daran halten. «
In der Bemerkung hatte ein leicht giftiger Ton gelegen, den Jonathan nicht mochte. Ihm waren tuntige Bemerkungen in jeder Form verhasst und er schaute missbilligend zu Christ o pher hin ü ber, der auf der anderen Seite des Kamins auf einem Sofa lag und ein paar Skizzen durchsah, die er f ü r die neue Inszenierung am National Theater gemacht hatte. Als er Jon a thans Blick bemerkte, schaute er ihn reum ü tig an.
» Schon gut, schon gut. Tut mir Leid. «
Jonathan stie ß ein Grunzen aus und widmete sich wieder seinen Papieren, die eine geplante Neuorganisierung der Dienststelle betrafen und in die er bis morgen fr ü h etwas Struktur hineinbringen musste. Wie gew ö hnlich wurden die seltenen Abende, die sie alleine verbringen konnten, von dem Papierkram in Anspruch genommen, den er aufarbeiten mus s te. Dessen ungeachtet hatten sie zusammen gekocht, was i m mer noch eines ihrer gr öß ten Vergn ü gen war, wobei sie wie ü blich Christophers K ü che und Esszimmer benutzten, w ä h rend Jonathan eine gute Flasche Burgunder aus seiner Wo h nung nebenan beisteuerte.
Ihre lang andauernde Beziehung, die bis in die Tage ihres Studiums zur ü ckging, war weder bei ihren Freunden noch bei Jonathans Vorgesetzten in Whitehall ein Geheimnis. Nicht aus Gr ü nden der Diskretion bewohnte jeder seine eigene, aber durch eine T ü r verbundene Wohnung in einem ansehnlichen Geb ä ude in der N ä he des St. James Square, sondern weil es Bereiche gleicher Interessen gab und solche getrennter. Manchmal gingen sie ihren eigenen Vergn ü gungen nach und manchmal wollten sie einfach nur alleine sein. Sexuell waren sie sich seit vielen Jahren absolut treu, was bedeutete, dass dieser wichtige Aspekt ihr Leben mehr bereicherte, als Anlass zur Eifersucht oder Vorbehalten gab. Sie wussten beide, dass sie sich sehr gl ü cklich sch ä tzen konnten den anderen zu h a ben.
Dennoch entging es Jonathan nicht, dass es Christopher z u nehmend irritierte, wenn er von der sch ö nen und intelligenten Tessa Lambert dort in Oxford sprach. Doch es war wirklich nicht mehr als eine offizielle und sehr angenehme Beziehung. Jonathan fand es trotzdem schwer, mit dem bohrenden Ve r dacht zurechtzukommen, dass er irgendwie von einer Person hintergangen wurde, die er seit ihrem ersten Treffen bewu n derte und mochte.
So hatte er seit diesem Abend mit Christopher mit niema n den mehr ü ber Tessa gesprochen, bis er an einem sp ä ten Nachmittag in Sir Geoffreys B ü ro, das einen Stock ü ber dem seinen lag, bestellt wurde .
Jenseits der Doppelglasfenster, die das Rumpeln des Feie r abendverkehrs g ä nzlich aussperrten, brach der Abend herein und ein feiner, d ü sterer Regen hatte eingesetzt. Sir Geoffrey sa ß auf der gegen ü berliegenden Seite des Raumes und arbeit e te im Licht einer einzelnen Messingtischlampe, doch er bat Jonathan die Deckenbeleuchtung einzuschalten, die das eh r w ü rdige Interieur in ausreichendes Licht h ü llte.
Sir Geoffrey ging zu einem Wandschrank und schenkte be i den einen Whisky ein und w ä hrend sie in zwei gegen ü berst e henden Ledersesseln Platz nahmen, sprach er aus, was ihn besch ä ftigte. Es hatte den Anschein, dass von bestimmter Seite Druck ausge ü bt wurde um mehr ü ber die Forschungen in Oxford, die Jonathan seit einiger Zeit diskret beobachtete, zu erfahren. Das Kendall-Institut war von vielen unterschiedl i chen Institutionen ins Leben gerufen worden, was bedeutete, dass seine Forschungsergebnisse auf ihre milit ä rische und zivile Verwendbarkeit hin ü berpr ü ft wurden. Jonathans letzter Bericht ü ber die Fortschritte, die Dr. Lambert in Hinblick auf eine einsatzf ä hige k ü nstliche Intelligenz zu machen schien, hatte so manchen aufhorchen lassen. Warum nun dieses lange Schweigen?
Jonathan r ä umte ein, dass er schon seit einiger
Weitere Kostenlose Bücher