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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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erzeigen, weil ich mich für einen ausgegeben, damit Seine Majestät mich auch für einen halten und erkennen könnten. All Augenblick vermehrte sich unser Hauf beides von Kleinen und Großen, so Truppen als Personen, und ich konnte doch in solcher Eil keinen einzigen erkennen, der das ganze Corpus kommandieren und die Battaglia anordnen sollte.
    Ich mag eben nicht alles erzählen, denn es ist meiner Histori an diesem Treffen nicht viel gelegen; ich will allein dies sagen, daß wir die Tatarn, so mit müden Pferden und vielen Beuten beladen, urplötzlich in einem Tal oder ziemlich tiefen Geländ antrafen, als sie sich dessen am allerwenigsten versahen, und von allen Orten mit solcher Furi dareingingen, daß wir sie gleich im Anfang trennten. Im ersten Angriff sagte ich zu meinen Nachfolgern auf reußische Sprach: »Nun wohlan, es tue jeder wie ich!« Solches schrien sie einander alle zu, und damit rennete ich mit verhängtem Zaum an die Feinde, und schlug dem ersten den ich antraf, welcher ein Mirsa war, den Kopf entzwei, also daß sein Hirn an meinem stählernen Kolben hängen blieb. Die Reußen folgten meinem heroischen Exempel, so daß die Tatarn ihren Angriff nicht erleiden mochten, sondern sich in eine allgemeine Flucht wendeten. Ich tat wie ein Rasender, oder vielmehr wie einer der aus Desperation den Tod suchte und nicht finden kann; ich schlug alles nieder was mir vorkam, es wäre gleich Tatar oder Reuß gewesen. Und die so vom Zaren auf mich bestellt waren, drangen mir so fleißig nach, daß ich allezeit einen sichern Rücken behielt; die Luft flog so voller Pfeil, als wenn Immen oder Bienen geschwärmt hätten, wovon mir denn einer in Arm zuteil wurde, denn ich hatte meine Ärmel hinter sich gestreift, damit ich mit meinem Säbel und Streitkolben desto unverhinderlicher metzeln und totschlagen könnte. Ehe ich den Pfeil auffing, lachte mirs Herz in meinem Leib an solcher Blutvergießung, da ich aber mein eigen Blut fließen sah, verkehrte sich das Lachen in eine unsinnige Wut. Demnach sich aber diese grimmigen Feinde in eine hauptsächliche Flucht wendeten, wurde mir von etlichen Knesen im Namen des Zarn befohlen, ihrem Kaiser die Botschaft zu bringen, wasgestalt wir die Tatarn überwunden; also kehrete ich auf ihr Wort zurück und hatte ohngefähr hundert Pferd zur Nachfolg. Ich ritt durch die Stadt der zarischen Wohnung zu und wurde von allen Menschen mit Frohlocken und Glückwünschung empfangen; sobald ich aber von dem Treffen Relation getan hatte, obzwar der Großfürst von allem Verlauf schon Nachricht hatte, mußte ich meine fürstlichen Kleider wieder ablegen, welche wiederum in des Zaren Kleiderbehältnis aufgehoben wurden, wiewohl sie samt dem Pferdgezeug über und über mit Blut besprengt und besudelt und also fast gar zunichte gemacht waren, und ich also nicht anders vermeint hätte, weil ich mich so ritterlich in diesem Treffen gehalten, sie sollten mir zum wenigsten samt dem Pferd zum Rekompens überlassen worden sein: Konnte demnach hieraus wohl abnehmen, wie es mit der Reußen Kleiderpracht beschaffen, deren sich mein Obrister bedient, weil es lauter gelehnte War ist, die dem Zaren, wie auch alle anderen Sachen in ganz Reußen, allein zuständig.

Das 22. Kapitel
    Durch was für einen nahen und lustigen Weg er wiederum heim zu seinem Knan kommen
    Solang meine Wunde zu heilen hatte, wurde ich allerdings fürstlich traktiert, ich ging allezeit in einem Schlafpelz von goldenem Stück mit Zobeln gefüttert, wiewohl der Schad weder tödlich noch gefährlich war, und ich hab die Tag meines Lebens niemals keiner solchen fetten Küchen genossen als eben damals; solches waren aber alle meine Beuten, die ich von meiner Arbeit hatte, ohne das Lob, so mir der Zar verlieh, welches mir aber aus Neid etlicher Knesen verbittert wurde.
    Als ich aber gänzlich heil war, wurde ich mit einem Schiff die Wolga hinunter nach Astrachan geschickt, daselbsten wie in der Moskau ein Pulvermacherei anzuordnen, weil dem Zarn unmöglich war, dieselbe Grenzfestungen allezeit von Moskau aus mit frischem und gerechtem Pulver, das man einen so weiten Weg auf dem Wasser durch viel Gefährlichkeit hinführen mußte, zu versehen; ich ließ mich gern gebrauchen, weil ich Promessen hatte, der Zar würde mich nach Verrichtung solchen Geschäfts wiederum nach Holland fertigen, und mir seiner Hochheit und meinen Verdiensten gemäß ein namhaftes Stück Geld mitgeben. Aber ach! wenn wir in unseren Hoffnungen und gemachten Konzepten am

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