Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
hinweg, und wo es Fried, und die Soldaten unwert und abgedankt worden, da kommen wir hin!« Er aber gab mir noch immer gute Wort, und sagte: Ich sollte ihn nur sorgen lassen, er wisse besser was zu tun sei als diese Kerl, an denen nicht viel gelegen.
Nachdem wir nun sicher in der Stadt Moskau ankommen, sah ich gleich daß es gefehlt hatte; mein Obrister konferierte zwar täglich mit den Magnaten, aber viel mehr mit den Metropoliten als den Knesen, welches mir gar nicht spanisch, aber viel zu pfäffisch vorkam; so mir auch allerhand Grillen und Nachdenkens erweckte, wiewohl ich nicht ersinnen konnte, nach was für einem Zweck er zielte; endlich notifiziert' er mir, daß es nichts mehr mit dem Krieg wäre und daß ihn sein Gewissen treibe, die griechische Religion anzunehmen; sein treuherziger Rat wäre, weil er mir ohnedas nunmehr nicht helfen könnte wie er versprochen, ich sollte ihm nachfolgen; des Zarn Majestät hätte bereits gute Nachricht von meiner Person und guten Qualitäten, die würden gnädigst belieben, wofern ich mich akkommodieren wollte, mich als einen Kavalier mit einem stattlichen adeligen Gut und vielen Untertanen zu begnadigen; welches allergnädigste Anerbieten nicht auszuschlagen wäre, indem einem jedweden ratsamer wäre, an einem solchen großen Monarchen mehr einen allergnädigsten Herrn als einen ungeneigten Großfürsten zu haben. Ich wurd hierüber ganz bestürzt, und wußte nichts zu antworten, weil ich dem Obristen, wenn ich ihn an einem andern Ort gehabt, die Antwort lieber im Gefühl als im Gehör zu verstehen geben hätte; mußte aber meine Leier anders stimmen, und mich nach demjenigen Ort richten, darin ich mich gleichsam wie ein Gefangner befand, weswegen ich denn, ehe ich mich auf eine Antwort resolvieren konnte, so lang stillschwieg: Endlich sagte ich zu ihm, ich wäre zwar der Meinung kommen, Ihrer Zarischen Majestät als ein Soldat zu dienen, wozu er, der Herr Obriste, mich daselbst veranlaßt hätte; seien nun Dieselbe meiner Kriegsdienste nicht bedürftig, so könnte ichs nicht ändern, viel weniger Derselben Schuld zumessen, daß ich Ihretwegen einen so weiten Weg vergeblich gezogen, weil sie mich nicht zu Ihro zu kommen beschrieben; daß aber Dieselbe mir ein so hohe Zarische Gnad allergnädigst widerfahren zu lassen geruheten, wäre mir mehr rühmlich aller Welt zu rühmen, als solche alleruntertänigst zu akzeptieren und zu verdienen, weil ich mich meine Religion zu mutieren noch zur Zeit nicht entschließen könne, wünschend, daß ich wiederum am Schwarzwald auf meinem Baurenhof säße, um niemandem einziges Anliegen noch Ungelegenheiten zu machen; hierauf antwortet' er: »Der Herr tue nach seinem Belieben, allein hätte ich vermeinet, wenn ihn Gott und das Glück grüßet, so sollte er beiden billig danken; wenn er sich aber ja nicht helfen lassen, noch gleichsam wie ein Prinz leben will, so verhoffe ich gleichwohl, er werde dafürhalten, ich habe an ihm das Meinig nach äußerstem Vermögen zu tun keinen Fleiß gespart«; daraufhin machte er einen tiefen Bückling, ging seines Wegs und ließ mich dort sitzen, ohne daß er zulassen wollte, ihm nur bis vor die Tür das Geleit zu geben.
Als ich nun ganz perplex dort saß und meinen damaligen Zustand betrachtete, hörete ich zween reußische Wagen vor unserm Losament, sah darauf zum Fenster hinaus und wie mein guter Herr Obrister mit seinen Söhnen in den einen, und die Frau Obristin mit ihren Töchtern in den andern einstieg; es waren des Großfürsten Fuhren und Liberei, zumalen etliche Geistliche dabei, so diesem Ehevolk gleichsam aufwarteten und allen guten geneigten Willen erzeugten.
Das 21. Kapitel
Wie es Simplicio weiters in der Moskau erging
Von dieser Zeit an wurde ich zwar nit öffentlich, sondern heimlich durch etliche Strelitzen verwachet, ohne daß ichs einmal gewußt hätte, und mein Obrister oder die Seinigen wurden mir nit einmal mehr zu sehen, also daß ichs nicht wissen konnte wo er hinkommen; damals setzte es, wie leicht zu erachten, seltsame Grillen und ohne Zweifel auch viel graue Haar auf meinem Kopf. Ich machte Kundschaft mit den Teutschen, die sich beides von Kauf- und Handwerksleuten in der Moskau ordinari aufhalten, und klagte denselben mein Anliegen und welchergestalt ich mit Gefährden hintergangen worden, die gaben mir Trost und Anleitung, wie ich wieder mit guter Gelegenheit nach Teutschland kommen könnte: Sobald sie aber Wind bekamen, daß der Zar mich im Land zu behalten entschlossen
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