Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
gehen, und vernehmen, was sein Herr meinetwegen mit ihm geredt hätte: Er gab mir einen Leibschützen mit, der mich zu ihm brachte, der Pfarrer aber führet' mich in sein Museum, setzt' sich, hieß mich auch sitzen, und sagte: »Lieber Simplici, der Einsiedel, bei dem du dich im Wald aufgehalten, ist nicht allein des hiesigen Gouverneurs Schwager, sondern auch im Krieg sein Beförderer und wertester Freund gewesen; wie dem Gubernator mir zu erzählen beliebt', so ist demselben von Jugend auf weder an Tapferkeit eines heroischen Soldaten, noch an Gottseligkeit und Andacht, die sonst einem Religioso zuständig, niemal nichts abgangen, welche beiden Tugenden man zwar selten beieinander zu finden pflegt. Sein geistlicher Sinn und widerwärtige Begegnisse hemmeten endlich den Lauf seiner weltlichen Glückseligkeit, so daß er seinen Adel und ansehnliche Güter in Schotten, da er gebürtig, verschmähet' und hintan setzet', weil ihm alle Welthändel abgeschmack, eitel und verwerflich vorkamen: Er verhoffte, mit einem Wort, seine gegenwärtige Hoheit um ein künftige bessere Glori zu verwechseln, weil sein hoher Geist einen Ekel an aller zeitlichen Pracht hatte, und sein Dichten und Trachten war nur nach einem solchen erbärmlichen Leben gerichtet, darin du ihn im Wald angetroffen, und bis in seinen Tod Gesellschaft geleistet hast: Meines Erachtens ist er durch Lesung vieler papistischen Bücher von dem Leben der alten Eremiten hierzu verleitet worden.
Ich will dir aber auch nicht verhalten, wie er in den Spessart und seinem Wunsch nach zu solchem armseligen Einsiedlerleben kommen sei, damit du inskünftig auch andern Leuten etwas davon zu erzählen weißt: Die zweite Nacht hernach, als die blutige Schlacht vor Höchst verloren worden, kam er einzig und allein vor meinen Pfarrhof, als ich eben mit meinem Weib und Kindern gegen den Morgen entschlafen war, weil wir wegen des Lärmens im Land, den beides die Flüchtigen und Nachjagenden in dergleichen Fällen zu erregen pflegen, die vorige ganze und auch selbige halbe Nacht durch und durch gewacht hatten: Er klopfte erstlich sittig an, und folgends ungestüm genug, bis er mich und mein schlaftrunken Gesind erweckte, und nachdem ich auf sein Anhalten und wenig Wortwechseln, welches beiderseits gar bescheiden fiel, die Tür geöffnet, sah ich den Kavalier von seinem mutigen Pferd steigen, sein kostbarlich Kleid war ebensosehr mit seiner Feinde Blut besprengt, als mit Gold und Silber verbrämt; und weil er seinen bloßen Degen noch in der Faust hielt, so kam mich Furcht und Schrecken an, nachdem er ihn aber einsteckte, und nichts als lauter Höflichkeit vorbrachte, hatte ich Ursach mich zu verwundern, daß ein so braver Herr einen schlechten Dorfpfarrer so freundlich um Herberg anredet': Ich sprach ihn wegen seiner schönen Person und seines herrlichen Ansehens halber für den Mansfelder selbst an. Er aber sagte, er sei demselben für diesmal nur in der Unglückseligkeit nicht allein zu vergleichen, sondern auch vorzuziehen; drei Ding beklagte er, nämlich sein verlorne hochschwangere Gemahlin, die verlorne Schlacht, und daß er nicht gleich andern redlichen Soldaten in derselben für das Evangelium sein Leben zu lassen das Glück gehabt hätte. Ich wollte ihm trösten, sah aber bald, daß seine Großmütigkeit keines Trostes bedurfte, demnach teilte ich mit, was das Haus vermochte, und ließ ihm ein Soldatenbett von frischem Stroh machen, weil er in kein anders liegen wollte, wiewohl er der Ruhe sehr bedürftig war. Das erste, das er den folgenden Morgen tat, war, daß er mir sein Pferd schenkte, und sein Geld (so er an Gold in keiner kleinen Zahl bei sich hatte) samt etlich köstlichen Ringen unter meine Frau, Kinder und Gesind austeilete. Ich wußte nicht, wie ich mit ihm dran war, weil die Soldaten viel eher zu nehmen als zu geben pflegen; trug derowegen Bedenkens, so große Verehrungen anzunehmen, und wandte vor, daß ich solches um ihn nicht meritiert, noch hinwiederum zu verdienen wisse; zudem sagte ich, wenn man solchen Reichtum, und sonderlich das köstliche Pferd, welches sich nicht verbergen ließe, bei mir und den Meinigen sehe, so würde männiglich schließen, ich hätte ihn berauben oder gar ermorden helfen. Er aber sagte, ich sollte diesfalls ohne Sorg leben, er wollte mich vor solcher Gefahr mit seiner eigenen Handschrift versichern, ja er begehre sogar sein Hemd, geschweige seine Kleider aus dem Pfarrhof nicht zu tragen, und mit dem öffnet' er mir seinen
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