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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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vollbringen.
    Also hatte ich wohl tausenderlei Grillen und seltsame Gedanken in meinem Gemüt, und geriet in schwere Anfechtung, wegen des Befehls Christi, da er spricht: Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Nichtsdestoweniger kamen mir die Wort Pauli zu Gedächtnis, die er zun Gal. am 5. Kap. schreibt: »Offenbar sind alle Werke des Fleisches, als da sind Ehebruch, Hurerei, Unreinigkeit, Unzucht, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord, Saufen, Fressen und dergleichen, von welchen ich euch habe zuvor gesagt, und sage es noch wie zuvor, daß die solches tun, werden das Reich Gottes nicht ererben!« Da gedachte ich: das tut ja fast jedermann öffentlich, warum sollte ich denn nicht auch aus des Apostels Wort offenherzig schließen dürfen, daß auch nicht jedermann selig werde.
    Nächst der Hoffart und dem Geiz, samt deren ehrbaren Anhängen, waren Fressen und Saufen, Huren und Buben bei den Vermöglichen ein tägliche Übung; was mir aber am aller-erschrecklichsten vorkam, war dieser Greuel, daß etliche, sonderlich Soldatenbursch, bei welchen man die Laster nicht am ernstlichsten zu strafen pflegt, beides aus ihrer Gottlosigkeit und dem heiligen Willen Gottes selbsten nur einen Scherz machten. Zum Exempel, ich hörete einsmals einen Ehebrecher, welcher wegen vollbrachter Tat noch gerühmt sein wollte, diese gottlosen Wort sagen: »Es tuts dem geduldigen Hahnrei genug, daß er meinetwegen ein paar Hörner trägt, und wenn ich die Wahrheit bekennen soll, so hab ichs mehr dem Mann zuleid, als der Frauen zulieb getan, damit ich mich an ihm rächen möge.« »O kahle Rach!« antwortet' ein ehrbar Gemüt, so dabeistund, »dadurch man sein eigen Gewissen beflecket und den schändlichen Namen eines Ehebrechers überkommt!« »Was Ehebrecher?« antwortet' er ihm mit einem höhnischen Gelächter, »ich bin darum kein Ehebrecher, wenn ich schon diese Ehe ein wenig gebogen habe; dies sind Ehebrecher, wovon das sechste Gebot sagt, allwo es verbeut, daß keiner einem andern in Garten steigen und die Kirschen ehe brechen solle als der Eigentumsherr!« Und daß solches also zu verstehen sei, erklärte er gleich darauf, nach seinem Teufels-Catechismo, das siebente Gebot, welches diese Meinung deutlicher vorbringe, indem es sagt: ›Du sollst nicht stehlen‹, usw. Solcher Wort trieb er viel, also daß ich bei mir selbst seufzt und gedachte: gottslästerlicher Sünder! du nennest dich selbst einen Ehebieger, und den gütigen Gott einen Ehebrecher, weil er Mann und Weib durch den Tod voneinander trennet. »Meinest du nicht«, sagt ich aus übrigem Eifer und Verdruß zu ihm, wiewohl er ein Offizier war, »daß du dich mit diesen gottlosen Worten mehr versündigest, als mit dem Ehebruch selbsten?« Er aber antwortet' mir: »Du Mauskopf, soll ich dir ein paar Ohrfeigen geben?« Ich glaub auch, daß ich solche dicht bekommen hätte, wenn der Kerl meinen Herrn nicht hätte fürchten müssen: Ich aber schwieg still, und sah nachgehends, daß es gar kein seltene Sach war, wenn sich Ledige nach Verehelichten, und Verehelichte nach Ledigen umsahen.
    Als ich noch bei meinem Einsiedel den Weg zum ewigen Leben studierte, verwundert ich mich, warum doch Gott seinem Volk die Abgötterei so hochsträflich verboten? denn ich bildete mir ein, wer einmal den wahren ewigen Gott erkennet hätte, der würde wohl nimmermehr keinen andern ehren und anbeten; schloß also in meinem dummen Sinn, dies Gebot sei ohnnötig, und vergeblich gegeben worden: Aber ach! ich Narr wußte nicht was ich gedachte, denn sobald ich in die Welt kam, vermerkte ich, daß (dies Gebot ohnangesehen) beinahe jeder Weltmensch einen besondern Nebengott hatte, ja etliche hatten wohl mehr, als die alten und neuen Heiden selbsten, etliche hatten den ihrigen in der Kisten, auf welchen sie allen Trost und Zuversicht setzten; mancher hatte den seinen bei Hof, zu welchem er alle Zuflucht gestellt, der doch nur ein Favorit und oft ein liederlicher Bärnhäuter war als sein Anbeter selbst, weil sein luftige Gottheit nur aus des Prinzen aprilenwetterischer Gunst bestund; andere hatten den ihrigen in der Reputation, und bildeten sich ein, wenn sie nur dieselbige erhielten, so wären sie selbst auch halbe Götter; noch andere hatten den ihrigen im Kopf, nämlich diejenigen, denen der wahre Gott ein gesund Hirn verliehen, also daß sie einige Künste und Wissenschaften zu fassen geschickt waren, dieselben setzten den gütigen Geber

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