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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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allein meine Ungeschicklichkeit zu gedulden, sondern auch mich dem feinsten Edelknaben vorzuziehen. Weiters erzählte er, daß der Einsiedel alle seine Freud an mir gehabt, weil ich, wie er öfters gesagt, seiner Liebsten von Angesicht so ähnlich sei, und daß er sich oft über meine Beständigkeit und ohnveränderlichen Willen, bei ihm zu bleiben, und sonst noch über viel Tugenden, die er an mir gerühmt, verwundert hätte. In Summa, er konnte nicht genugsam aussprechen, wie mit ernstlicher Inbrünstigkeit er kurz vor seinem Tod mich ihm, Pfarrern, rekommendiert, und bekannt hätte, daß er mich so sehr als sein eigen Kind liebe.
    Dieses kitzelt' mich dermaßen in Ohren, daß mich bedünkte, ich hätte schon Ergötzlichkeit genug für alles dasjenige empfangen, das ich je bei dem Einsiedel ausgestanden. Der Gouverneur fragte, ob sein sel. Schwager nicht gewußt hätte, daß er der Zeit in Hanau kommandiere? »Freilich«, antwortet' der Pfarrer, »ich habs ihm selbst gesagt; er hat es aber (zwar mit einem fröhlichen Gesicht und kleinem Lächlen) so kaltsinnig angehört, als ob er niemals keinen Ramsay gekennt hätte, also daß ich mich noch, wenn ich der Sach nachdenke, über dieses Manns Beständigkeit und festen Vorsatz verwundern muß, wie er nämlich übers Herz bringen können, nicht allein der Welt abzusagen, sondern auch seinen besten Freund, den er doch in der Nähe hatte, so gar aus dem Sinn zu schlagen!« Dem Gouverneur, der sonst kein weichherzig Weibergemüt hatte, sondern ein tapferer heroischer Soldat war, stunden die Augen voll Wasser. Er sagte: »Hätte ich gewußt, daß er noch im Leben, und wo er anzutreffen gewesen wäre, so wollte ich ihn auch wider seinen Willen haben zu mir holen lassen, damit ich ihm seine Guttaten hätte erwidern können, weil mirs aber das Glück mißgönnet, also will ich an seiner Statt seinen Simplicium versorgen: Ach!« sagte er weiters, »der redliche Kavalier hat wohl Ursach gehabt, seine schwangere Gemahlin zu beklagen, denn sie ist von einer Partei kaiserlicher Reuter im Nachhauen, und zwar auch im Spessart gefangen worden. Als ich solches erfahren, und nichts anders gewußt, als mein Schwager sei bei Höchst tot geblieben, habe ich gleich einen Trompeter zum Gegenteil geschickt, meiner Schwester nachzufragen und dieselbe zu ranzionieren, hab aber nichts anders damit ausgerichtet, als daß ich erfahren, gemeldte Partei Reuter sei im Spessart von etlichen Bauren zertrennt, und in solchem Gefecht meine Schwester von ihnen wieder verloren worden, also daß ich noch bis auf diese Stund nicht weiß, wo sie hinkommen.«
    Dieses und dergleichen war des Gouverneurs und Pfarrern Tischgespräch, von meinem Einsiedel und seiner Liebsten, welches Paar Ehevolk um so viel desto mehr bedauret wurde, weil sie einander nur ein Jahr gehabt hatten. Aber ich wurde also des Gubernators Page, und ein solcher Kerl, den die Leut, sonderlich die Bauren, wenn ich sie bei meinem Herrn anmelden sollte, bereits Herr Jung nenneten, wiewohl man selten einen Jungen siehet, der ein Herr gewesen, aber wohl Herren, die zuvor Jungen waren.

Das 24. Kapitel
    Simplicius tadelt die Leut, und siehet viel Abgötter in der Welt
    Damals war bei mir nichts Schätzbarliches als ein reines Gewissen und aufrichtig frommes Gemüt zu finden, welches mit der edlen Unschuld und Einfalt begleitet und umgeben war; ich wußte von den Lastern nichts anders, als daß ich sie etwa hören nennen, oder davon gelesen hatte, und wenn ich deren eins wirklich begehen sah, war mirs ein erschreckliche und seltene Sach, weil ich erzogen und gewöhnet worden, die Gegenwart Gottes allezeit vor Augen zu haben, und aufs ernstlichst nach seinem heiligen Willen zu leben, und weil ich denselben wußte, pflegte ich der Menschen Tun und Wesen gegen denselben abzuwägen, in solcher Übung bedünkte mich, ich sehe nichts als lauter Greuel: Herr Gott! wie verwundert ich mich anfänglich, wenn ich das Gesetz und Evangelium samt den getreuen Warnungen Christi betrachtete, und hingegen derjenigen Werk ansah, die sich für seine Jünger und Nachfolger ausgaben; anstatt der aufrichtigen Meinung, die ein jedweder rechtschaffene Christ haben soll, fand ich eitel Heuchelei, und sonst so unzählbare Torheiten bei allen Weltmenschen, daß ich auch zweifelte, ob ich Christen vor mir hätte oder nicht? denn ich konnte leichtlich merken, daß männiglich den ernstlichen Willen Gottes wüßte, ich merkte aber hingegen keinen Ernst, denselben zu

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