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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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ihm auch nicht aus den Augen, er war eines vornehmen Fürsten Rat und Beamter, zumal auch sehr reich gewesen, weil er aber von den Schwedischen bis in Grund ruiniert worden, zumaln auch sein Weib mit Tod abgangen und sein einziger Sohn Armut halber nicht mehr studieren konnte, sondern unter der kursächsischen Armee für einen Musterschreiber dienete, hielt er sich bei diesem Obristen auf und ließ sich für einen Stallmeister gebrauchen, um zu verharren, bis die gefährlichen Kriegsläufte am Elbstrom sich änderten und ihm alsdann die Sonne seines vorigen Glücks wieder scheinen möchte.

Das 20. Kapitel
    Ist ziemlich lang, und handelt vom Spielen mit Würfeln, und was dem anhängig
    Weil mein Hofmeister mehr alt als jung war, also konnte er auch die ganze Nacht nicht durchgehend schlafen, solches war ein Ursach, daß er mir in der ersten Wochen hinter die Brief kam und ausdrücklich vernahm, daß ich kein solcher Narr war, wie ich mich stellete: wie er denn zuvor auch etwas gemerkt und von mir aus meinem Angesicht ein anders geurteilet hatte, weil er sich wohl auf die Physiognomiam verstund. Ich erwachte einsmals um Mitternacht und machte über mein eigen Leben und seltsame Begegnisse allerlei Gedanken, stund auch auf und erzählte danksagungsweis alle Guttaten, die mir mein lieber Gott erwiesen, und alle Gefahren, aus welchen er mich errettet; legte mich hernach wieder nieder mit schweren Seufzern und schlief vollends aus.
    Mein Hofmeister hörete alles, tat aber, als wenn er hart schlief, und solches geschah etliche Nächt nacheinander, also daß er sich genugsam versichert hielt, daß ich mehr Verstand hätte als mancher Betagte, der sich viel einbilde; doch redet' er nichts mit mir im Zelt hiervon, weil es zu dünne Wänd hatte und er gewisser Ursachen halber nicht haben wollte, daß noch zur Zeit und ehe er meiner Unschuld versichert wäre, jemand anders dieses Geheimnis wüßte. Einsmals ging ich hinter das Lager spazieren, welches er gern geschehen ließ, damit er Ursach hätte mich zu suchen und also die Gelegenheit bekäme, allein mit mir zu reden: Er fand mich nach Wunsch an einem einsamen Ort, da ich meinen Gedanken Audienz gab, und sagte: »Lieber guter Freund, weil ich dein Bestes zu suchen unterstehe, erfreue ich mich, daß ich hier allein mit dir reden kann; ich weiß, daß du kein Narr bist, wie du dich stellest, zumalen auch in diesem elenden und verächtlichen Stand nicht zu leben begehrest. Wenn dir nun deine Wohlfahrt lieb ist, auch zu mir als einem ehrlichen Mann dein Vertrauen setzen willst, so kannst du mir deiner Sachen Bewandtnis erzählen, so will ich hingegen, wo möglich, mit Rat und Tat bedacht sein, wie dir etwa zu helfen sein möchte, damit du aus deinem Narrnkleid kommest.«
    Hierauf fiel ich ihm um den Hals und erzeigte mich vor übriger Freud nicht anders, als wenn er ein Prophet gewesen wäre, mich von meiner Narrnkapp zu erlösen; und nachdem wir uns auf die Erde gesetzt hatten, erzählte ich ihm mein ganzes Leben, er beschaute meine Händ und verwundert' sich beides über die verwichenen und künftigen seltsamen Zufälle; wollte nur aber durchaus nicht raten, daß ich in Bälde mein Narrnkleid ablegen sollte, weil er, wie er sagte, vermittelst der Chiromantia sah, daß mir mein fatum ein Gefängnis androhe, das Leib- und Lebensgefahr mit sich brächte. Ich bedankte mich seiner guten Neigung und mitgeteilten Rats, und bat Gott, daß er ihm seine Treuherzigkeit belohnen, ihn selber aber, daß er (weil ich von aller Welt verlassen wäre) mein getreuer Freund und Vater sein und bleiben wollte.
    Demnach stunden wir auf und kamen auf den Spielplatz, da man mit Würfeln turnieret' und alle Schwür mit hunderttausend mal tausend Galleen, Rennschifflein, Tonnen und Stadtgräben voll usw. heraussuchte; der Platz war ungefähr so groß als der Alte Markt zu Köln, überall mit Mänteln überstreut und mit Tischen bestellt, die alle mit Spielern umgeben waren; jede Gesellschaft hatte drei viereckigte Schelmenbeiner, denen sie ihr Glück vertrauten, weil sie ihr Geld teilen, und solches dem einen geben, dem andern aber nehmen mußten: So hatte auch jeder Mantel oder Tisch einen Schunderer (Scholderer wollte ich sagen und hätte doch schier Schinder gesagt), dieses Amt war, daß sie Richter sein und zusehen sollten, daß keinem Unrecht geschehe; sie liehen auch Mäntel, Tisch und Würfel her, und wußten deswegen ihr Gebühr so wohl vom Gewinn einzunehmen, daß sie gewöhnlich das meiste

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