Der Abgrund
kein Problem. Aber ich konnte nicht zu viel Stunk machen, ohne dass sie misstrauisch geworden wären.«
Die andere Person machte einen Vorschlag, der O'Bannon heftig erzittern ließ. Er musste mit seinem Wagen die Straße verlassen. »Nein, sie umzubringen, würde nur Verdacht erregen. Ich kenne London. Vielleicht viel zu gut. Er ist sehr intelligent. Wenn Claire irgendetwas zustößt, wird er die Sache gründlich untersuchen und nicht mehr loslassen. So ist er nun mal. Glauben Sie mir, ich habe sehr lange mit diesem Mann gearbeitet. Schließlich war das der Grund, warum Sie mich angeheuert haben.«
»Aber das ist nicht der einzige Grund«, sagte der andere. »Außerdem bezahlen wir Sie gut, Ed. Sehr gut. Und es gefällt mir überhaupt nicht, dass er nun zu dieser Daniels geht.«
»Ich habe alles unter Kontrolle. Wie ich London kenne, wird er ein paar Mal kommen und dann die Behandlung abbrechen. Aber wenn dabei etwas herauskommt, werden wir es erfahren. Ich bleibe in jedem Fall auf dem Laufenden.«
»Das will ich hoffen«, sagte die andere Person. »Und sobald Sie die Sache nicht mehr unter Kontrolle haben, werden wir einschreiten.« Die Verbindung wurde unterbrochen. O'Bannon machte einen sehr bestürzten Eindruck, als er kurz darauf weiterfuhr.
KAPITEL 22
Web hatte schon einige Zeit damit verbracht, mit dem Wagen die Straßen rund um den Schauplatz des Gemetzels abzufahren. Er war in den unbezahlten Urlaub geschickt worden und durfte sich nicht an den offiziellen Ermittlungen beteiligen. Also konnte er keine Unterstützung anfordern, falls er sie benötigen sollte, und er hatte auch keine klare Vorstellung, wonach er eigentlich suchte. Die Dunkelheit der Straßen wurde immer wieder vom eintönigen Licht der Ampeln unterbrochen. An vielen dieser Kreuzungen waren Kameras installiert, angeblich, um Autos zu fotografieren, die bei Rot über die Ampel fuhren. Web war jedoch überzeugt, dass sie gleichzeitig dem Zweck dienten, die Gegend zu überwachen. Er musste jedoch den Einfallsreichtum der Anwohner bewundern, weil viele der Kameras sabotiert worden waren. Manche blickten in den Himmel, andere zu Boden, einige auf irgendwelche Gebäude, und etliche waren zerstört worden. So viel zur Allgegenwart von Big Brother.
Web rief immer wieder seinen Anrufbeantworter ab. Er hatte keine weiteren Anrufe von Ehefrauen bekommen. Cynde und Debbie hatten offenbar alle anderen informiert, dass sie die schmutzige Arbeit übernommen hatten, Web endgültig aus ihrem Leben zu verabschieden. Er konnte beinahe hören, wie die Damen kollektiv aufseufzten.
Web hatte schließlich einen neuen Termin mit Claire gemacht. Sie ging nicht auf seine Beleidigung und seinen zweiten überstürzten Abschied ein. Sie notierte sich lediglich die Uhrzeit und sagte, dass sie sich dann wiedersehen würden. Die Frau musste wirklich ein sehr dickes Fell haben, dachte er.
Im Wartezimmer saßen mehrere Leute, als Web eintraf. Niemand nahm Blickkontakt zu ihm auf, und Web verzichtete ebenfalls darauf. Offenbar war das normal für das Wartezimmer eines Seelenklempners. Wer gestand schon gern vor Fremden ein, dass er sich wegen einer Macke behandeln ließ?
Claire kam aus dem Büro, begrüßte ihn mit einem aufmunternden Lächeln und reichte ihm eine Tasse Kaffee. Sie hatte bereits Zucker und Sahne hineingetan, genau wie er ihn am liebsten trank. Sie nahmen in ihrer Praxis Platz.
Web strich sich mit der Hand durchs Haar. »Claire, es tut mir Leid wegen neulich. Normalerweise bin ich nicht so ungehobelt. Ich weiß, dass Sie mir nur helfen wollen und meine Schwierigkeiten nicht einfach zu lösen sind.«
»Entschuldigen Sie sich nicht für etwas, das Ihnen gut tut, Web. Sie sollten all diese Gedanken und Gefühle herauslassen, damit Sie besser damit umgehen können.«
Er lächelte matt. »Also gut, Doc. Wohin geht es heute? Zum Mars oder zur Venus?«
»Wir sollten damit anfangen, Sie auf ein posttraumatisches Stress-Symptom zu überprüfen, um zu sehen, ob diese Diagnose auf Sie zutrifft.«
Web musste still lächeln. Damit konnte er etwas anfangen. »Wie bei einem Kriegstrauma?«
»So ungefähr. Ein Ereignis wie die Geschehnisse im Hinterhof wäre durchaus geeignet, einen traumatischen Schock hervorzurufen.«
»Das klingt sogar für mich plausibel.«
»Dann wollen wir diese Möglichkeit überprüfen. Wenn diese Diagnose zutrifft, gibt es mehrere bewährte Methoden, damit zurechtzukommen. Zum Beispiel Stressbewältigungstechniken, die Kontrolle von
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