Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
eine dunkle Erhebung im Schein des Feuers. Es war die kleine Dienstmagd, an deren Namen sich Deornoth nicht erinnern konnte. Sie war mit ihnen aus dem Wohnflügel der Burg geflohen und hatte den ganzen langen Weg die Steige hinauf und wieder hinab still vor sich hin geweint.
Das heißt, sie hatte geweint, bis die Gräber über sie herfielen. An ihrer Kehle hatten sie gehangen wie Terrier an einem Keiler, selbst noch als die Klingen der Männer, die die Kleine retten wollten, ihnen die Körper von den Hälsen trennten. Nun weinte sie nicht mehr. Sie war ganz, ganz still und klammerte sich mühsam an ihr Leben.
Deornoth fühlte eine Welle aufgestauten Grauens in sich aufsteigen. Barmherziger Usires, was hatten sie getan, um solch furchtbare Vergeltung zu verdienen? Welcher abscheulichen Sünde waren sie schuldig, dass ihre Strafe darin bestehen musste, Naglimund von der Erde zu tilgen?
Er zwang die Panik nieder, von der er wusste, dass sie ihm unmissverständlich ins Gesicht geschrieben stand, und blickte sich um. Usires sei Dank, niemand achtete auf ihn, keiner hatte seine schändliche Angst bemerkt. Denn schließlich ziemte sich ein derartiges Betragen nicht für ihn: Er war ein Ritter. Stolz erfüllte ihn, weil er den Handschuh seines Prinzen auf dem Haupte gefühlt und die Verkündung seines ritterlichen Dienstes gehört hatte. Er wünschte sich nichts als den sauberen Schrecken der Schlacht mit Feinden, die Menschen waren – keine winzigen, quiekenden Gräber oder fischweiße Nornen mit steinernen Gesichtern wie die Zerstörer von Josuas Burg. Wie konnte man mit Geschöpfen kämpfen, die aus Gruselmärchen für Kinder stammten?
Es musste der Tag des Abwägens sein, der endlich gekommen war. Eine andere Erklärung gab es nicht. Mochten es auch lebendige Wesen sein, gegen die sie fochten – sie bluteten und starben, und konnte man das von Dämonen sagen? –, es waren dennoch Mächte der Finsternis. Die Letzten Tage waren angebrochen.
Merkwürdigerweise gab diese Vorstellung Deornoth ein wenig Kraft. Denn war es nicht die wahre Berufung eines Ritters, Herrn und Land gegen übernatürliche so gut wie gegen natürliche Gegner zu verteidigen? Hatte es der Priester vor Deornoths Ritterschlagnicht so gesagt? Er zwang die furchtsamen Gedanken in ihre gebührende Bahn zurück. Er war immer so stolz auf seine Gelassenheit gewesen, seinen langsamen und bedächtigen Zorn; das war auch der Grund, weshalb ihm die zurückhaltende Art seines Prinzen immer so gefallen hatte. Wie konnte Josua andere führen, wenn nicht dadurch, dass er sich selbst beherrschte?
Als ihm Josua wieder einfiel, warf Deornoth dem Prinzen erneut einen verstohlenen Blick zu und merkte, dass seine Sorgen wiederkehrten. Es schien, als breche der Panzer der Geduld, den Josua so lange getragen hatte, endlich auseinander, zerspellt von Kräften, denen kein Mann gewachsen war.
Während sein Lehnsmann ihn so betrachtete, starrte Josua hinaus in die windverwehte Dunkelheit, und seine Lippen bewegten sich. Tonlos sprach er mit sich selbst, die Stirn in schmerzlicher Konzentration gerunzelt.
Deornoth konnte den Anblick nicht länger ertragen. »Prinz Josua!«, rief er leise. Der Prinz beendete seine stumme Rede, ohne dem jungen Ritter einen Blick zu schenken. Deornoth versuchte es ein zweites Mal. »Josua?«
»Ja, Deornoth?«, kam endlich die Antwort.
»Herr«, begann der Ritter und begriff, dass es eigentlich nichts zu sagen gab. »Herr, mein guter Herr …«
Deornoth biss sich auf die Unterlippe und hoffte auf eine Eingebung, einen Funken für seine müden Gedanken. Da setzte sich Josua plötzlich auf und richtete den Blick, der eben noch ziellos umhergeschweift war, fest auf das Dunkel hinter dem vom Feuer geröteten Waldessaum.
»Was ist?«, fragte Deornoth alarmiert. Isorn, der hinter ihm geschlafen hatte, fuhr beim Klang der Stimme seines Freundes mit einem abgerissenen Schrei in die Höhe. Deornoth tastete nach seinem Schwert und zog es, schon halb aufgesprungen, aus der Scheide.
»Ruhe.« Josua hob den Arm.
Eine entsetzliche Furcht legte sich über das Lager. Sekunden, die immer länger wurden, verstrichen, ohne dass etwas geschah, dann vernahmen es auch die andern; unmittelbar außer Reichweite des Feuerscheins brach etwas schwerfällig durch das Unterholz.
»Die Unholde!« Varas Stimme hob sich vom Flüstern zum zitternden Aufschrei. Josua drehte sich um und packte ihren Arm. Er schüttelte sie grob, nur einmal.
»Still, um der Liebe
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