Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
bleiben dicht zusammen, falls sich doch noch eine Fluchtmöglichkeit ergeben sollte, und wir warten.«
Die Minuten spannten sich so straff wie die Bogensehne unter Deornoths Fingern. In den Bäumen über ihnen waren die Nachtvögel verstummt, bis auf einen einzigen, dessen unheimliches, flüsterndes Rufen nicht aufhören wollte. Deornoth hätte ihm am liebsten einen Pfeil durch die gefiederte Gurgel gejagt. Aus dem dröhnenden Murmeln des Stefflods begann sich ein fernes, stetiges Trommelgeräusch herauszuheben und immer lauter zu werden. Deornoth kam es vor, als bebe der Boden unter seinen Füßen. Unvermittelt fragte er sich, ob in diesem scheinbar unbewohnten Land wohl schon jemals Blut geflossen war. Hatten die Wurzeln der bleichen Bäume schon etwas anderes als Wasser getrunken? Von den großen Eichen am Rande des Schlachtfeldes am Knoch erzählte man sich, sie hätten sich mit Blut vollgesogen, bis ihr Harz rosenrot war.
Das Donnern der Hufschläge nahm zu, bis es Deornoths Herz, das ihm in den Ohren hämmerte, übertönte. Er hob den Bogen, spannte ihn jedoch noch nicht, um seine Kraft für den Augenblick aufzusparen, in dem er sie brauchen würde. Unter ihnen auf der Wiese flackerte ein Schwarm von Lichtern. Die wilde Jagd der Reiter wurde langsamer, als spürten sie, dass sich der Prinz und seine Leute über ihnen versteckt hielten. Als sie die Pferde zügelten, lodertendie Flammen ihrer im Wind wehenden Fackeln noch einmal auf, als blühten orangefarbene Blumen.
»Es sind beinahe zwei Dutzend«, sagte Isorn traurig.
»Ich nehme den ersten«, flüsterte Deornoth, »du den zweiten.«
»Noch nicht«, befahl Josua. »Erst, wenn ich es sage.«
Unten stieg der Anführer vom Pferd und bückte sich zur Erde, sodass er aus dem Fackelschein verschwand. Als er wieder aufstand, drehte er das helle Gesicht unter der Kapuze dem Hang zu. Deornoth kam es fast so vor, als hätte er sie zwischen den Schatten erspäht. Der junge Ritter senkte die Pfeilspitze, bis sie auf die vom Mantel bedeckte Brust unter dem matten Mond des Gesichtes dort unten zeigte.
»Ruhig jetzt«, murmelte Josua, »noch einen Augenblick …«
Über ihm rauschte und knackte es in den Zweigen. Etwas Dunkles flatterte gegen Deornoths Kopf und erschreckte ihn so, dass der Pfeil sich löste und weit über das anvisierte Ziel hinausflog. Deornoth gab einen entsetzten Schrei von sich und riss die Hände hoch, um seine Augen zu schützen. Aber das, was ihn gestoßen hatte, war fort.
»Halt!«, schrie eine Stimme hoch oben aus den Bäumen, eine krächzende, pfeifende, nicht-menschliche Stimme. » Halt !«
Isorn, der verblüfft zugeschaut hatte, wie Deornoth um sich schlug, obwohl nichts zu sehen war, drehte sich grimmig um und richtete seinerseits den Pfeil auf das Ziel. »Dämonen!«, knurrte er und zog die Bogensehne bis ans Ohr zurück.
»Josua?«, kam es unten von der Wiese. »Prinz Josua? Bist du dort?«
Mehrere Atemzüge lang herrschte Schweigen. Dann flüsterte Josua: »Preis sei Ädon.« Er bahnte sich einen Weg durch das knisternde Unterholz und trat hinaus ins volle Licht des Mondes. Sein Mantel blähte sich im scharfen Wind wie ein Segel. »Hier bin ich!«, rief er laut.
»Was soll das?«, zischte Isorn, außer sich vor Entsetzen. Vara stieß einen kleinen, ängstlichen Schrei aus. Deornoth jedoch hatte die Stimme ebenfalls erkannt.
»Josua?«, schrie der Anführer der Reiter. »Hier ist Hotvig.« Erschob die Kapuze zurück, sodass sein Bart und das windzerzauste gelbe Haar sichtbar wurden. »Wir folgen euch schon seit Tagen!«
»Hotvig!«, rief Vara besorgt zu ihm hinunter. »Ist mein Vater bei euch?«
Der Thrithingmann lachte rauh. »Gewiss nicht, Herrin Vara. Der Mark-Than ist nicht glücklicher über mich als über dich und deinen Gatten.«
Der Randwächter stieg den Hang hinauf und drückte Josua die Hand. Langsam kamen auch die Gefährten des Prinzen unter den Bäumen zum Vorschein. Ihre noch verkrampften Muskeln zitterten, und sie plapperten vor lauter Erleichterung sinnlos vor sich hin.
»Ich habe viel zu erzählen, Josua«, sagte Hotvig, während seine Kameraden, die ihm gefolgt waren, sich dazugesellten. »Zuerst jedoch brauchen wir ein Feuer. Wir sind geritten wie der Grasdonnerer selbst und sind nun halb erfroren und sehr müde.«
»Allerdings«, lächelte Josua. »Ein Feuer.«
Deornoth trat vor und ergriff Hotvigs Hand. »Gelobt sei Usires’ Gnade«, sagte er. »Wir hielten dich für Fengbald, den Gefolgsmann des
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