Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
überzeugt wie ihre abergläubischste Kammermagd, denn Rachel hatte gesehen. Mit eigenen Augen hatte sie die Heerscharen der Hölle im Heckengarten ihrer Burg erblickt. Es gab kaum noch einen Zweifel, dass der Tag des Abwägens vor der Tür stand.
Ein Geräusch auf der Straße riss Rachel aus ihren Gedanken. Sie legte die Hand über die Augen, um sich vor den stechenden Graupeln zu schützen, und sah auf. Ein Rudel Hunde kämpfte um etwas, das auf der schlammigen Straße lag. Knurrend und bellend zerrten sie es hin und her. Rachel ging an den Straßenrand und hielt sich dicht an den Häuserwänden. In Erchester sind immer Hunde frei auf den Straßen herumgelaufen, aber seitdem nur noch so wenige Leute hier wohnten, waren die Hunde wild geworden wie nie zuvor. Der Eisenhändler hatte ihr erzählt, dass in der Küfergasse mehrere Hunde durch ein Fenster gesprungen waren und eine im Bett liegende Frau angegriffen und totgebissen hatten. Beim Gedankendaran merkte Rachel, wie sie vor Angst zu zittern begann. Sie blieb stehen und überlegte, ob sie sich an den Tieren vorbeiwagen sollte. Sie schaute die Straße hinauf und hinunter, aber es war niemand zu sehen. Nur ganz weit hinten bewegten sich ein paar unbestimmte Gestalten, viel zu weit entfernt, um ihr beistehen zu können. Sie schluckte und ging weiter, wobei sie mit einer Hand an den Wänden entlangstreifte, während sie mit der anderen ihren Einkauf an sich drückte. Als sie sich vorsichtig an den kämpfenden Hunden vorbeibewegte, sah sie sich vorsorglich nach einem offenen Hauseingang um.
Es war schwer zu erkennen, worum sie sich eigentlich balgten, denn sowohl die Hunde als auch ihre Beute waren über und über mit schwarzem Schlamm bespritzt. Einer der Köter hob den Kopf aus dem Gewühl magerer Bäuche und knochiger Hüften und grinste sie mit offenem Maul und heraushängender Zunge an, während sie an ihm vorüberschlich. Die schmutzige Schnauze und der aufgerissene Rachen erinnerten sie plötzlich an einen zur tiefsten Hölle verdammten Sünder, eine verlorene Seele, die alles vergessen hatte, was einmal von Schönheit oder Glück in ihr gewesen war. Stumm starrte das Tier sie an. Hagelkörner prasselten auf die aufgeweichte Straße.
Erst als der Kampf seiner Gefährten von neuem seine Aufmerksamkeit erregte, wandte der Hund sich ab. Knurrend stürzte er sich wieder in den tobenden Haufen.
Mit tränenden Augen senkte Rachel den Kopf und stemmte sich gegen den Wind. Sie hatte es eilig, zum Hochhorst zurückzukommen.
Auf einem Balkon, der auf den Hof des Inneren Zwingers hinausging, standen Guthwulf und der König. Elias schien ungewöhnlich heiterer Stimmung zu sein, erstaunlich angesichts der wenig eindrucksvollen Zahl von Menschen, die man auf den Hochhorst gebracht hatte, wo sie dem Aufmarsch der Erkyngarde beizuwohnen hatten.
Guthwulf wusste, was für Gerüchte unter seinen Kriegern umgingen:Geschichten von nächtlichen Schreckgespenstern, die die Menschen aus den Hallen des Hochhorstes und den Häusern von Erchester vertrieben. Nicht nur, dass es eher wenige Menschen waren, die den König sehen wollten, sondern es herrschte auch eine unruhige Stimmung unter den Versammelten. Nur ungern hätte sich Guthwulf unbewaffnet in die Menge gewagt, solange er die Schärpe trug, die ihn als Hand des Königs auswies.
»Elendes Wetter, wie?«, meinte Elias und betrachtete mit seinen grünen Augen gespannt das Gedränge der Reiter, die ihre Pferde inmitten des herunterprasselnden Hagels mühsam unter Kontrolle hielten. »Ungewöhnlich kalt für Anitul, findest du nicht auch, Wolf?«
Guthwulf wandte sich überrascht um und fragte sich, ob der König sich einen abseitigen Scherz mit ihm erlaube. Das verkehrte Wetter war seit Monaten Hauptgegenstand aller Gespräche in der Burg. Es war nicht nur »ungewöhnlich kalt«. Ein Wetter wie dieses war etwas Schreckliches und Abartiges, das zu den bösen Vorahnungen des Grafen nicht unwesentlich beigetragen hatte.
»Ja, Herr«, war alles, was er antwortete. In seinem Kopf war die Entscheidung längst gefallen. Er würde die Erkyngarde ins Feld führen, wie Elias es wünschte, aber sobald er und seine Truppen sich außerhalb der unmittelbaren Reichweite des Königs befanden, würde er nicht mehr zurückkehren. Sollten doch rücksichtslose, verbrecherische Schwachköpfe wie Fengbald die Befehle des Königs ausführen. Guthwulf würde diejenigen Erkynwächter, die dazu bereit waren, und seine eigenen treuen Utanyeater nehmen
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