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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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aufgerissenen Augen inne, als Isgrimnur auf die Knie fiel.
    Dem Herzog kam es vor, als kippe seine Welt, von einer Riesenfaust gehoben, langsam aus den Angeln. Es dauerte lange, ehe er ein Wort hervorbrachte. Die Wirtin, der kleine Wranna und der alte Türhüter betrachteten ihn mit unterschiedlich stark ausgeprägter, unbehaglicher Faszination. Als Isgrimnur endlich sprach, war es der alte Mann, den er anredete.
    »Edler Herr Camaris«, sagte er und merkte, wie seine Stimme versagte. Ja, die Welt war verrückt geworden – die Toten lebten wieder. »Barmherzige Elysia, Camaris, erinnert Ihr Euch nicht an mich? Ich bin Isgrimnur! Wir haben zusammen für Priester Johan gekämpft – wir waren Freunde! Ach Gott! Ihr lebt! Wie kann das sein?« Er streckte dem alten Mann die Hand entgegen, der sie nahm, wie ein Kind nach etwas Buntem und Glitzerndem greift, das ein Fremder ihm hinhält. Die Finger des Alten waren schwielig und selbstjetzt, als seine Hand schlaff in Isgrimnurs Rechter lag, auffallend kräftig. Sein schönes Gesicht zeigte nur lächelnde Verständnislosigkeit.
    »Was schwatzt Ihr da?«, fragte die Wirtin erzürnt. »Das ist der alte Ceallio, mein Türhüter. Er lebt seit Jahren hier. Ein Einfältiger.«
    »Camaris«, flüsterte Isgrimnur, drückte die Hand des Alten an seine Wange und benetzte sie mit Tränen. Er konnte kaum sprechen. »O mein guter Herr, Ihr lebt.«

28
Funken

    rotz – oder vielleicht gerade wegen – der unendlichen Schönheit von Jao é-Tinukai’i langweilte Simon sich. Außerdem fühlte er sich unaussprechlich einsam.
    Es war eine seltsame Gefangenschaft. Die Sithi hinderten ihn an nichts, aber abgesehen von Jiriki und Aditu zeigte auch weiterhin niemand Interesse für ihn. Wie der Schoßhund einer Königin wurde er gut gefüttert und gepflegt; er durfte auch beliebig umherstreifen, weil die Außenwelt ihm unerreichbar blieb. Wie ein Haustier amüsierte er seine Herren, aber man nahm ihn nicht ernst. Wenn er die Sithi anredete, antworteten sie höflich auf Westerling, aber untereinander gebrauchten sie ihre eigene fließende Sprache. Nur wenige Worte seiner eigenen Sprache drangen je an sein Ohr, wohingegen die Sprache der Sithi allgegenwärtig war. Der Verdacht, dass sie sich über ihn unterhalten könnten, machte ihn wütend. Ebenso unerträglich war es freilich, wenn sie es nicht taten und vielleicht gar nicht an ihn dachten, sofern er nicht unmittelbar vor ihnen stand. Es gab Tage, an denen fühlte er sich wie ein Geist, körperlos und fast inexistent.
    Seit seinem Besuch bei Amerasu war die Zeit noch schneller an ihm vorübergeflogen. Eines Nachts lag er in seinen Decken und merkte, dass er nicht mehr genau angeben konnte, wie lange er sich schon bei den Sithi aufhielt. Als er Aditu fragte, behauptete sie, sich nicht zu erinnern. Simon stellte daraufhin Jiriki dieselbe Frage. Der Prinz betrachtete ihn mitleidig und erkundigte sich, ob er denn wirklich die Tage zählen wolle. Schon die darin enthaltene Andeutung – würde er wirklich sein Leben hier verbringen müssen? – ließ Simon schaudern, aber er bestand darauf, von Jiriki eine genaueAntwort zu bekommen. Der Sitha erklärte ihm, es sei etwas mehr als ein Monat vergangen.
    Das war vor einigen Tagen gewesen.
    Am schlimmsten waren die Nächte. In seinem Deckennest in Jirikis Haus oder während seiner Wanderungen durch das weiche, feuchte Gras, über ihm die fremden Sterne, quälte Simon sich mit fantastischen Fluchtplänen, Plänen, von denen er selber wusste, dass sie ebenso unsinnig wie hoffnungslos waren. Seine Stimmung wurde immer düsterer. Er wusste, dass Jiriki sich Sorgen um ihn machte und selbst Aditus Quecksilberlachen etwas Gezwungenes angenommen hatte. Er wusste auch, dass er es nicht lassen konnte, immer wieder zu erwähnen, wie unglücklich er sich fühle, aber er konnte seinen Kummer nicht verbergen und wollte es auch gar nicht. Wessen Schuld war es schließlich, dass er hier in der Falle saß?
    Natürlich, sie hatten ihm das Leben gerettet. Wäre es denn besser gewesen, zu erfrieren oder langsam zu verhungern, schalt er sich innerlich, anstatt als verwöhnter, wenn auch gewissen Einschränkungen unterworfener Gast in der herrlichsten Stadt Osten Ards zu verweilen? Aber selbst wenn so viel Undank schändlich war – Simon konnte sich mit seinem lieblichen Gefängnis nicht abfinden.
    Die Tage glichen einander fast völlig. Er streifte allein durch den Wald, warf Steine in die unzähligen Bäche und Flüsse

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