Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
ausfallen können. Ich hasse es, kaltblütig zu töten, aber was hätten wir sonst mit dieser mordgierigen Kreatur anfangen können? Und trotzdem hält mich Einskaldir für einen Mann, der zu viel denkt, um ein guter Krieger zu sein.« Sein Lachen klang melancholisch. »Wahrscheinlich hat er recht.« Der Prinz hob die Hand, um Deornoth an einer Antwort zu hindern. »Aber das ist nicht der Grund, warum ich allein mit dir reden wollte. Um Einskaldir werde ich mich kümmern. Nein, ich wollte hören, was du über die Worte des Nornen denkst.«
»Welche, Hoheit?«
Josua seufzte. »Er sagte, seine Gefährten hätten herausgefunden, was sie suchten. Oder erfahren, was sie wissen wollten. Was kann er damit gemeint haben?«
Deornoth zuckte die Achseln. »Mein Schädel klappert immer noch, Prinz Josua.«
»Aber du selbst hast erklärt, es müsse einen Grund dafür geben, dass sie uns noch nicht getötet haben.« Der Prinz ließ sich auf dem bemoosten Stamm eines umgestürzten Baumes nieder und winkte Deornoth, sich neben ihn zu setzen. Über ihnen färbte sich die Kuppel des Himmels lavendelblau. »Sie senden einen wandelnden Leichnam, der sich unter uns mischen soll. Sie schießen Pfeile ab, ohne uns zu töten, nur damit wir nicht in östlicher Richtung gehen. Und jetzt schicken sie uns einige ihrer Leute, die sich wie Diebe in unser Lager einschleichen. Was wollen sie?«
So angestrengt Deornoth auch nachdachte, ihm fiel keine Antwort ein. Er konnte das höhnische Lächeln des Nornen nicht vergessen. Aber da war noch ein anderer Ausdruck gewesen, dieser flüchtige Hauch eines Unbehagens …
»Sie fürchten …«, begann Deornoth und spürte, dass er ganz nahe an der Lösung war, »… sie fürchten …«
»Die Schwerter«, zischte Josua, »natürlich! Wovor sollten sie sonst auch Angst haben?«
»Aber wir haben keine Zauberschwerter«, wandte Deornoth ein.
»Vielleicht wissen sie das nicht«, überlegte Josua. »Vielleicht ist das eine der Eigenschaften von Dorn und Minneyar – dass sie für den Zauber der Nornen unempfänglich sind.« Er schlug sich auf den Schenkel. »Natürlich! Es muss so sein, sonst hätte sie der Sturmkönig längst aufgespürt und zerstört! Wie anders könnten für ihn tödliche Waffen überhaupt noch vorhanden sein?«
»Aber warum haben sie versucht, uns den Weg nach Osten abzuschneiden?«
Der Prinz hob die Schultern. »Wer weiß? Wir müssen weiter darüber nachdenken, aber ich glaube, das ist die Antwort. Sie fürchten, dass wir bereits eines der Schwerter oder sogar beide besitzen, und haben Angst, uns anzugreifen, solange sie es nicht genau wissen.«
Deornoth fühlte, wie ihm der Mut sank. »Aber Ihr habt gehört, was das Wesen gesagt hat. Jetzt wissen sie es.«
Josuas Lächeln verschwand. »Wahr. Zumindest sind sie ziemlichsicher. Immerhin ist es eine Erkenntnis, die uns vielleicht noch nützen kann – irgendwie. Irgendwie.« Er stand auf. »Aber sie haben jetzt keine Furcht mehr, sich uns zu nähern. Wir müssen noch schneller von hier fort. Komm.«
Deornoth, der sich fragte, wie ein so vielfach verwundetes und entmutigtes Häuflein sich noch mehr beeilen sollte, folgte dem Prinzen im Licht der Morgendämmerung zurück ins Lager.
7
Flächenbrand
ie Möwen kreisten am grauen Morgenhimmel und ahmten mit boshaftem Gekreisch das Knarren der Rudergabeln nach. Das rhythmische Quiek-quiek-quiek der Ruder war wie ein Finger, der sie beharrlich in die Seite stach. Miriamel fühlte Zorn in sich aufsteigen, bis sie schließlich schnaubend vor Wut über Cadrach herfiel.
»Ihr … Ihr Verräter!«, fauchte sie.
Der Mönch, das runde Gesicht schreckensbleich, starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
»Was?« Cadrach sah aus, als hätte er am liebsten vor ihr Reißaus genommen; aber sie saßen nebeneinander, eingezwängt ins enge Heck des Ruderboots. Lenti, Streáwes mürrischer Diener, beobachtete sie gereizt von der Ruderbank her, wo er und der zweite Dienstmann gemächlich die Riemen bewegten. »Herrin …«, begann Cadrach, »ich weiß nicht …«
Sein schwächliches Leugnen machte Miriamel nur noch erboster. »Haltet Ihr mich für einen Dummkopf?«, knurrte sie. »Es mag eine Weile dauern, bis ich etwas begreife, aber wenn ich lange genug nachdenke, komme ich schon dahinter. Der Graf nannte Euch Padreic – und er ist nicht der Erste, der Euch diesen Namen gibt!«
»Eine Verwechslung, Herrin. Der andere war ein Sterbender, wenn Ihr Euch erinnert – wahnsinnig vor Schmerzen
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