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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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verfangen.
    »Halt dich fest, du Trottel!«, schrie Lenti. »Festhalten!«
    Endlich schaffte es der Mönch, das Seil mit beiden Händen zu packen. Mit den Beinen strampelnd wie ein Frosch, ließ er sich durch das Wasser zum Boot ziehen. Als er in Reichweite war, ließ auch der zweite Diener sein Ruder los und beugte sich vor, um zu helfen. Nach einigen vergeblichen Versuchen und vielen Flüchen gelang es den beiden, ihre triefnasse Last über das Dollbord zu hieven. Das Ruderboot schwankte. Cadrach lag auf dem Boden, würgte und erbrach Meerwasser.
    »Nehmt Euren Mantel und trocknet ihn ab«, sagte Lenti zu Miriamel, als der Mönch sich endlich so weit beruhigt hatte, dass er wieder krächzend atmete. »Wenn er stirbt, lasse ich Euch die ganze Strecke bis an Land schwimmen.«
    Widerwillig gehorchte sie.
    Langsam begannen sich die braunen und schwarzen Berge der Nordostküste von Nabban vor ihnen zu erheben. Die Sonne näherte sich dem Mittag und überzog die Wasseroberfläche der Bucht mit dem intensiven Gleißen polierten Kupfers. Die beiden Männer ruderten, das Boot schaukelte hin und her, und die Rudergabeln knarrten und knarrten und knarrten.
    Miriamel war noch immer wütend, aber die Wut war schal und flach geworden. Der Ausbruch war vorüber, das Feuer zu glühender Asche niedergebrannt.
    Wie konnte ich nur so töricht sein? , fragte sie sich verwundert. Ich vertraute ihm – schlimmer noch, ich fing schon an, ihn gern zu haben! Ich habe mich wohlgefühlt bei ihm, auch wenn er gewöhnlich halb betrunken war.
    Eben erst, als sie sich auf der Bank umsetzte, hatte sie in Cadrachs Kuttentasche etwas klirren hören. Beim Herausholen erwies es sich als Geldbörse mit dem eingeprägten Siegel des Grafen Streáwe, halb gefüllt mit silbernen Quinis-Stücken und zwei Imperatoren aus Gold. Dieser eindeutige Beweis für den Verrat des Mönchs ließ ihre Wut für einen Moment neu aufflammen. Sie erwog, Cadrach noch einmal über Bord zu stoßen und notfalls Lentis Strafe dafür zu ertragen.Aber nach kurzem Nachdenken entschied sie, dass sie nicht mehr zornig genug war, Cadrach umzubringen. Eigentlich war sie sogar ein wenig überrascht, vorhin derart außer sich vor Wut gewesen zu sein.
    Sie sah auf den Mönch hinunter, der erschöpft und zusammengekrümmt in unruhigem Schlaf lag, den Kopf neben ihr an die Bank gestützt. Cadrachs Mund stand offen, und sein Atem ging in keuchenden kleinen Stößen, als ringe er noch im Traum nach Luft. Das rosa Gesicht nahm noch an Farbe zu. Miriamel hob die Hand und spähte durch die schützenden Finger in die Sonne. Der Sommer war kalt gewesen, aber hier, mitten auf dem Wasser, brannte die Sonne gnadenlos herunter.
    Ohne viel nachzudenken, griff sie nach ihrem abgeschabten Mantel und legte ihn so über Cadrachs Stirn, dass sein Gesicht im Schatten lag. Lenti, der sie von der Ruderbank aus schweigend beobachtete, machte eine finstere Miene und schüttelte den Kopf. Hinter seiner Schulter sah Miriamel in der Bucht etwas Glattes aus dem Wasser tauchen und dann geschmeidig wieder in die Tiefe gleiten.
    Eine Weile schaute sie den Möwen und Pelikanen zu, die durch die Luft schossen und dann mit heftigem Bremsgeflatter auf den Felsen an der Küste landeten. Die kalten Möwenschreie erinnerten sie an Meremund, die Heimat ihrer Kindheit an der Küste von Erkynland.
    Dort könnte ich auf der Südmauer stehen und sehen, wie die Männer vom Fluss den Gleniwent hinauf- und hinabfuhren. Von der Westmauer konnte ich aufs Meer blicken. Ich war eine Prinzessin, eine Gefangene meiner Stellung , aber dennoch hatte ich alles, was mein Herz begehrte. Und was ist aus mir geworden?
    Sie schnaubte angewidert und kassierte einen weiteren unfreundlichen Blick von Lenti.
    Jetzt steht es mir frei, auf Abenteuer auszuziehen, dachte sie, und doch bin ich mehr denn je eine Gefangene. Ich laufe verkleidet herum, aber dank dieses verräterischen Mönches werde ich überall noch früher angemeldet als einst bei Hof. Leute, die ich kaum kenne, befördern mich von Hand zu Hand wie ein hochgeschätztes Schmuckstück. Und Meremund ist auf immer für mich verloren, wenn nicht …
    Der Wind zerzauste ihr kurzgeschnittenes Haar. Sie fühlte sich wie ausgehöhlt.
    Wenn nicht … was? Wenn nicht mein Vater ein anderer wird? Das wird er nie. Er hat Onkel Josua vernichtet … ihn getötet, warum sollte er umkehren? Nichts wird je werden wie früher. Die einzige Hoffnung, dass etwas besser werden könnte, ging mit Naglimund unter.

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