Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Die vielen Pläne, die Legenden Jarnaugas, des alten Rimmersmanns, das Gerede von Zauberschwertern … und alle die Menschen, die dort lebten … dahin. Was bleibt dann noch! Wenn sich mein Vater nicht ändert oder stirbt, werde ich mein Leben lang auf der Flucht sein.
Aber er wird sich nie ändern. Und wenn er stirbt – dann wird das, was noch von mir übrig ist, ebenfalls sterben.
Sie starrte hinaus auf den metallischen Schimmer der Bucht von Emettin und dachte an ihren Vater, wie er einmal gewesen war. Ihr fiel ein, wie er sie als Dreijährige zum ersten Mal auf ein Pferd gehoben hatte. Sie sah diesen Augenblick so deutlich vor sich, als sei er nur Tage her und nicht ihr ganzes Leben. Elias hatte voller Stolz gegrinst, als sie sich angstvoll an dem festgeklammert hatte, was ihr als Rücken eines Ungetüms erschienen war. Sie war nicht heruntergefallen, und sobald er sie wieder auf den Boden gesetzt hatte, versiegten auch ihre Tränen.
Wie kann ein Mensch, und sei er auch ein König, etwas so Abscheuliches über das Land kommen lassen, wie mein Vater das getan hat? Einst hat er mich geliebt. Vielleicht liebt er mich sogar immer noch, aber er hat mein Leben vergiftet. Jetzt will er die ganze Welt vergiften.
Als sie sich dem Ufer näherten, hörte sie das Klatschen der Wellen gegen die von der Morgensonne überglänzten Felsen.
Lenti und der andere Dienstmann zogen die Ruder ein und lenkten mit ihrer Hilfe das Boot durch die Felszacken, die zu beiden Seiten spitz emporragten. Als sie schon ganz nah am Strand waren und das Wasser durchsichtig wurde, bemerkte Miriamel wieder, wie etwas dicht neben ihnen auftauchte. Ein kurzes Aufblitzen von glänzendem Grau, das gleich darauf aufklatschend wieder verschwand, um einen Augenblick später an der anderen Seite des Bootes zu erscheinen, einen langen Steinwurf weit entfernt.
Lenti sah, wie sie starrte, und drehte sich um. Was er über seine Schulter hinweg erblickte, ließ in seinem ausdruckslosen Gesicht einen Anflug von Furcht aufblitzen. Nach einem gemurmelten Wortwechsel verdoppelten sein Kamerad und er ihre Anstrengungen, das Boot so schnell wie möglich an Land zu bringen.
»Was ist das?«, fragte die Prinzessin. »Ein Hai?«
Lenti sah nicht auf. »Kilpa«, erwiderte er barsch und ruderte aus Leibeskräften.
Miriamel starrte auf das Wasser, sah aber nur noch flache Wellen, die sich an den Felsen brachen. »Kilpa in der Bucht von Emettin?«, fragte sie ungläubig. »Sie kommen doch nie so weit landeinwärts! Kilpa sind Tiefseewesen.«
»Heutzutage nicht mehr«, knurrte Lenti. »Belästigen Schiffe überall an der Küste. Weiß jeder Trottel. Jetzt Ruhe!«
Keuchend zerrte er an den Rudern. Beunruhigt starrte Miriamel wieder aufs Wasser. Nichts trübte den glatten Spiegel der Bucht.
Als der Kiel im Sand knirschte, sprangen Lenti und der andere Ruderer von Bord und zogen das Boot auf den Strand. Gemeinsam hoben sie Cadrach heraus und ließen ihn ohne weitere Umstände auf die Erde fallen, wo er leise stöhnend liegenblieb. Um Miriamel kümmerten sie sich nicht. Sie raffte ihr Mönchsgewand und watete das halbe Dutzend Schritte an Land.
Ein Mann in schwarzer Priesterkleidung war dabei, sich über den steilen Klippenpfad einen Weg zum Strand hinunter zu suchen. Als er unten ankam, schritt er über den Sand auf sie zu.
»Das ist vermutlich der Sklavenhändler, dem ihr mich übergeben sollt?«, fragte Miriamel in ihrem eisigsten Ton und blickte auf die sich nähernde Gestalt. Lenti und sein Gefährte starrten besorgt auf die Bucht und gaben keine Antwort.
»Heda!«, rief der Schwarzgekleidete. Seine Stimme schnitt laut und fröhlich durch das schläfrige Rauschen der See.
Miriamel sah ihn an und schaute gleich noch einmal hin. Sie staunte. »Vater Dinivan?«, erkundigte sie sich zögernd. »Seid Ihr das?«
»Prinzessin Miriamel!«, erwiderte er voller Freude. »Da seid Ihr ja. Ich bin so froh.« Sein breites, gemütliches Lächeln ließ ihn wieeinen kleinen Jungen aussehen, aber das lockige Haar um den geschorenen Scheitel war graumeliert. Er sank einen Moment auf ein Knie, erhob sich aber sofort wieder und betrachtete sie aufmerksam. »Aus etwas größerer Entfernung hätte ich Euch nicht erkannt. Man hat mir mitgeteilt, dass Ihr als Knabe reist – äußerst überzeugend. Und Ihr habt Euch die Haare schwarz gefärbt.«
Miriamel schwirrte der Kopf, aber jäh fiel ihr ein großer Stein vom Herzen. Von allen Besuchern am Hof ihres Vaters in Meremund und auf
Weitere Kostenlose Bücher