Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noel Hardy
Vom Netzwerk:
sehr interessiert, auch an den anderen Stücken Ihrer Sammlung!«
    Murat nahm ihm den Karton ab. »Auf Wiedersehen, Herr Baron. Monsignore …«
    Â»Auf Wiedersehen«, sagte Wenzel. Der Geistliche wandte sich ebenfalls zum Gehen, doch Salásy hielt ihn am Arm fest. »Ich muss sagen, Monsignore, ich habe Ihren Kunstverstand schon in dieser kurzen Zeit schätzen gelernt. Man kann ja heutzutage nicht vorsichtig genug sein – bei all den Fälschungen, die im Umlauf sind.«
    Â»Wem sagen Sie das?!«, rief Wenzel aus.
    Salásy rieb sich die Hände, betastete sein Schnurrbärtchen, zupfte an beiden Ohrläppchen, links, rechts, links, rechts. »Und dann ist ja auch nicht jeder Kunsthändler seriös, nicht wahr? Erst kürzlich wurde mit eine Muttergot tes angeboten, die angeblich aus der Werkstatt von Ignaz Günther stammen sollte. Die Expertisen ließen keinen Zweifel an ihrer Echtheit, aber …«
    Â»Ach, du meine Güte.« Der Monsignore lachte wie über etwas, das nicht ernsthaft zum Lachen war. »Sammler, die sich beim Kauf nach Expertisen richten, sind selbst schuld, wenn sie übers Ohr gehauen werden. Experten werden für ihre Meinung bezahlt, nicht wahr, sie lassen sich Ihre Autorität teuer bezahlen, und manchmal brauchen auch Wissenschaftler dringend Geld. Bis zu fünf Prozent des Schätzwertes eines Objekts können ein paar eindrucksvolle Zeilen eines Kunstgeschichtsprofessors wert sein. Außerdem: Zu jedem Gutachten kann ein Gegengutachten erstellt werden. Die Expertise wird dann zusammen mit dem Objekt verkauft. Sie steigert den Wert des Gemäldes oder der Skulptur und damit auch den Wert des Experten. Ist ein Gegenstand erst mal in den Kunstkreislauf eingespeist, verlieren sich die Fußspuren schnell im Nebel. Aber ich habe Sie unterbrochen. Diese Statue von Ignaz Günther –«
    Â»Eine plumpe Fälschung«, sagte der Baron. »Ich habe es natürlich abgelehnt, sie in Kommission zu nehmen. Mein Kollege Theodor Brahms dagegen hatte da weit weniger Skrupel …« Seine Stimme verlor sich, während er auf das schlichte weiße Kärtchen starrte, mit dem der Monsignore vor seinen Augen herumwedelte. »Was ist das?«
    Â»Meine Karte. Sollten Sie einmal ein interessantes Objekt aus dem sakralen Bereich haben, würde ich mich über Ihren Anruf freuen. Auf Wiedersehen, Herr von Salásy. Ich denke, ich werde mal einen Blick auf diese Madonna bei Herrn Brahms werfen.« Er tätschelte dem Baron die Schulter, knöpfte seinen Kaschmirmantel zu und verließ den Laden.
    Salásy sah ihm noch einen Moment nach, mit einem Gesichtsausdruck, der – halb Gier, halb Besorgnis – sogar in einem Zeichentrickfilm übertrieben gewirkt hätte.

    A ls die Türglocke erklang und gleich darauf die Stimmen von Murat und dem Monsignore zu hören waren, beugte Emma sich tiefer über die Inventarliste, an der sie gerade arbeitete. Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten, ihnen entgegenzustürzen. Monsignore, er ist gar kein En gel. Er ist bloß ein Betrüger, ein Hochstapler, mehr nicht! Alles, was er wollte, war der Ferrari, den Sie für ihn geleast haben. Die Vase ist immer noch kaputt. Er hat sie in den Händen gehalten, und der Sprung ist nicht verschwunden!
    Stattdessen tat sie, als wäre nichts passiert – was ja auch der Wahrheit entsprach. Nichts war passiert, außer, dass sie überhaupt nicht mehr wusste, was sie fühlte. Sie war wütend und enttäuscht und im gleichen Maße auf merkwürdige Weise erleichtert. Nichts war passiert. Es war nur ein unglaublich attraktiver Mann in ihrem Leben aufge taucht und hatte behauptet, ein Engel zu sein. Du tust nichts, dachte sie, und du sagst auch nichts. Ohne den Kopf zu heben, fragte sie: »Na, wie ist es bei euch gelaufen?«
    Â»Quod erat demonstrandum«, sagte der Monsignore. »Der Baron hat keine Ahnung von Kunst, und ein Betrü ger ist er obendrein. Die Madonna, die er deinem Vater über den unbekannten Verkäufer in Kommission gegeben hat, ist echt, aber er hält sie für falsch!«
    Â»Sie ist also tatsächlich echt?«
    Der Monsignore nickte. »Ich bin fast hundertprozentig sicher. Natürlich werde ich noch einige Untersuchungen vornehmen lassen, aber das ist im Grunde nur l’art pour l’art.« Er hängte den Vermeer wieder an seinen alten Platz hinter der Kasse. »Sie

Weitere Kostenlose Bücher