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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noel Hardy
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von dem du erzählt hast!«
    Â»Der Betrüger, der sich als Engel ausgibt«, korrigierte Emma ihn, aber er lief trotzdem zur Tür. »Lass das, Papa!« Ihre Stimme wurde scharf.
    Â»Wie kommst du darauf, dass er ein Betrüger ist?«, fragte ihr Vater. »Und sag jetzt nicht, weil es keine Engel gibt! Das wäre nämlich aus dem Mund von jemandem, der einen von ihnen verklagt hat, ziemlich eigenartig.«
    Â»Er ist ein Betrüger, weil er kein Engel ist«, antwortete Emma trotzig.
    Â»Woher weißt du das so genau?«
    Â»Er hat die Ming-Vase in der Hand gehalten. Wenn er wirklich ein Engel wäre, hätte er den Sprung verschwinden lassen können. Aber das hat er nicht getan. Nicht ist passiert.«
    Â»Bist du sicher? Hast du mir nicht vorgestern erzählt, er dürfte gerade keine Wunder wirken? Dass er in seiner gegenwärtigen Erscheinungsform all seine überirdischen Fähigkeiten zurücklassen musste, bevor er auf die Erde gekommen ist?«
    Â»Das ist doch nur eine Ausrede dafür, dass er sie gar nicht hat!«
    Â»Hast du dir mal überlegt, was passieren würde, wenn der Sprung jetzt tatsächlich verschwunden wäre? Wir haben Schilfstengl bereits über den Schaden informiert. Er hat die Vase besichtigt und den Riss mit eigenen Augen gesehen. Wenn er erfähren würde, dass wir keine Ver sicherung haben, und wir ihm gleichzeitig eine komplett intakte Vase zurückgeben – was denkst du, würde er annehmen?«
    Emma schwieg. So hatte sie die Sache noch gar nicht betrachtet. »Ich verstehe sowieso nicht, dass du die Ver sicherung nicht erneuert hast, als du so ein wertvolles Objekt hereinbekommen hast«, sagte sie endlich.
    Â»Versicherungen kosten Geld, mein Kind«, sagte ihr Vater. »Und hohe Versicherungssummen erfordern hohe Beiträge. Ich dachte, vielleicht – wenn die Kommission für die Vase da ist – dann könnte ich …« Er hielt inne und fasste sie genau ins Auge. »Mein Gott, ja – das musste ja passieren.«
    Â»Was musste passieren?«
    Â»Du bist in ihn verliebt.«
    Â»Was??!! Nein!!«
    Â»Du bist also in ihn verliebt. Kein Wunder. Bei dem Glück, das du bisher mit Männern hattest, ist es doch nur logisch, dass du es zur Abwechslung mal mit einem Engel versuchst. Schaden kann es dir auf alle Fälle nicht.«
    Sie starrte ihn fassungslos an. »Hast du vergessen, dass dieser Mann an meinem ganzen Elend schuld ist? Er ist ja nicht mal aus freien Stücken hier, sondern weil man es ihm befohlen hat! Ich verliebe mich doch nicht in jemanden, den ich vom Himmel geschossen habe wie einen Fasan. Bildlich gesprochen.«
    Â»Hast du ge dacht, du kannst deinen Schutzengel verklagen, und alles bleibt beim Alten? Wie hätte ein Betrüger so schnell von deiner Absicht erfahren können? Gibt es eine rationale Erklärung für sein Erscheinen? Die einzige ist, dass eine irrationale Handlung wie deine auch irrationale Folgen hat. In diesem Fall ein Wunder. Und dieses Wunder besteht allein darin, dass er überhaupt da ist!«
    Â»Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll«, gab Emma zu.
    Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nur eins sagen: Wenn man sich mit Engeln einlässt, bleibt immer ein Restrisiko, das sich jeder Messbarkeit entzieht!« Er griff nach ihren Händen und hielt sie fest. »Emma, das ist genau das, worauf ich die ganze Zeit gehofft habe! Wenn man wüsste, in welcher Gestalt einem ein Wunder widerfährt – wäre es dann noch ein Wunder?!«
    Auf einmal schämte sie sich, ohne zu wissen, warum. Sie sah, wie das Strahlen in seine Augen zurückkehrte, jener warme Schimmer, den sie seit Jahren nicht mehr darin entdeckt hatte. Leise fragte sie: »Und wenn ich einen Riesenfehler gemacht habe, Papa?«
    Er zog sie in seine Arme. »Wir machen alle Fehler, Emmchen. Du machst nur ein paar mehr als die meisten.« Er drückte sie, damit sie spürte, dass er scherzte. »Aber damit eins ganz klar ist: Heute Nacht schläft der junge Mann bei mir und nicht in deinem Bett, Engel hin oder her!«
    Und sie dachte: Aber ich bin dreißig, Papa!

    M urat stand dort, wo Emma ihn zum ersten Mal bemerkt hatte – auf dem sternförmigen Mosaik unter der Kuppel von Sankt Michael. Reglos sah er nach oben, sehnsüchtig versunken in den Anblick der Dreifaltigkeit über seinem Kopf. So hatte sie mit zwölf im Internat am

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