Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
und hielt sie hoch. »Das sieht mir ganz nach â¦Â«
»Augsburger Rokoko aus«, vollendete Monsignore Wen zel den Satz und gesellte sich zu ihnen. »Verzeihen Sie, dass ich Ihr Gespräch mitgehört habe. Eine Déformation professionelle: Ich bin im Erzbischöflichen Ordinariat für die Erfassung, Erhaltung und Pflege des kirchlichen Kunst- und Kulturguts zuständig.«
»Im Erzbischöflichen Ordinariat?«, wiederholte der Ba ron verblüfft.
»Monsignore Vitus Wenzel«, stellte Wenzel sich vor.
»Monsignore?!«, rief Murat aus. Eilig stellte er den Karton auf einem imitierten Biedermeier-Sekretär ab, packte Wenzels rechte Hand und riss sie an seine Lippen, um den Ring am Mittelfinger zu küssen.
»Aber, aber â¦Â« Wenzel entzog Murat die Hand mit einem leichten Ruck und warf ihm einen warnenden Blick zu. Ãbertreib nicht so schamlos!
Auf einmal wusste Salásy nicht, wohin mit der Tasse in seiner Hand. »Dann müssen Sie ja von Berufs wegen ein Kunstkenner sein. Vielleicht wollen wir gemeinsam ein Auge auf die Schätze des jungen Herrn hier werfen?« Er öffnete den Karton nun ganz. »Wie viel würden Sie sich denn für dieses prächtige Service vorstellen, Herr Honigfels?«
Murat zuckte mit den Schultern. »Tja, also, eigentlich sind Sie ja der Experte, aber hunderttausend wären wohl nicht â¦Â«
»Cent zweifellos!«, fiel der Monsignore ihm mit einem jovialen Lachen ins Wort. »Hunderttausend Cent, mehr ist es nämlich nicht wert.«
»Sie sagten doch selbst, es sei Augsburger Rokoko!«, rief Salásy irritiert.
»Ja, aber gefälscht, mein Sohn«, entgegnete der Monsignore mit einem milden Lächeln. »Sehen Sie, hier und hier.« Er deutete wahllos auf verschiedene Stellen an der Teekanne und dem Zuckerschälchen. »So hat man erst viel später gearbeitet. AuÃerdem fehlt die Inventarnummer!«
Enttäuscht stellte Salásy die Tasse wieder in den Karton zurück.
Unterdessen griff der Monsignore nach dem Gemälde, packte es aus und hielt es ins Licht. »Und was haben wir hier?«
»Für was würden Sie es denn halten?«, fragte Salásy vorsichtig.
»Für das Porträt einer jungen Frau.«
»Wahrlich, eine Autorität!«, fiel Salásy ihm herablassend ins Wort. »Ich hätte es glatt für einen Schinken gehalten, der sich im Spiegel betrachtet.«
»⦠einen Halbakt von Vermeer, aber ohne Signatur«, redete Wenzel weiter.
»Auch eine Fälschung?«, erkundigte Murat sich kleinlaut.
Der Monsignore schüttelte den Kopf. »Nein, nein, die Pinselführung ist ganz eindeutig. Selten hat er so meisterhaft gearbeitet wie hier.«
Baron von Salásy nahm das Ãlbildnis nun seinerseits genau in Augenschein, wobei es ihm kaum gelang, seine Gier zu verbergen. »Ein unbekannter Vermeer!?« Er packte Murat bei den Schultern. »Was wollen Sie dafür haben? Nennen Sie eine Summe!«
»Na ja.« Murat schien zu überlegen. »Fünfhunderttausend Euro müssten in etwa dem Wert des Gemäldes entsprechen.«
Der Monsignore schüttelte tadelnd den Kopf. »Ich bitte Sie, mein Sohn, so viel ist das Bild nun auch nicht wert. Es geht mich zwar eigentlich nichts an, aber Sie können froh sein, wenn Herr Salásy Ihnen fünfzigtausend dafür gibt. Immerhin fehlt die Signatur.«
»Woher kennen Sie meinen Namen?«, fragte Salásy überrascht.
»Ich dachte â¦Â« Die Augen des Monsignore flogen zur Tür und wieder zurück. »Steht er nicht drauÃen an der Fassade? Salásy Art et Antiquités? «
»Ach so, ja, in der Tat.« Der Funke Misstrauen in den Augen des Barons erlosch. »An der Fassade, natürlich. Aber es muss Baron von Salásy heiÃen!« Er wandte sich wieder an Murat. »Der Monsignore hat recht. Fünfzig wären das ÃuÃerste, bis zu dem ich gehen würde.« Er zwin kerte Wenzel zu. Sie fangen an, mir zu gefallen.
Murat schlug das Gemälde wieder in das Packpapier und sagte: »Ich werde es mir überlegen.«
»Ich darf Sie in den nächsten Tagen wegen eines Termins anrufen?«, fragte Salásy, als er Murat den Karton mit dem Silberservice zur Tür trug.
»Ja.« Murat fing einen Blick des Monsignore auf. »Oder nein, am besten melde ich mich bei Ihnen, wenn ich mich entschieden habe.«
»Aber nicht vergessen! Ich bin
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