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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noel Hardy
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wissen ja, ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn. Aber weil es blind ist, sieht es nicht, dass das Korn aus Gold ist und behandelt es wie alle anderen Körner vorher.«
    Â»Ist das ein Gleichnis von Ihm?«, fragte Murat, während er das Silberservice auspackte.
    Â»Ja, aus dem Evangelium des Vitus. Ich habe nur die passende Gelegenheit noch nicht gefunden, zu der Er es gesagt hat.«
    Â»Wenn die Muttergottes keine Fälschung ist, können wir sie doch zur Versteigerung bringen und mit unserer Provision Papas Finanzen sanieren«, meinte Emma.
    Â»Und Salásy zu einem reichen Mann machen?«, fragte Wenzel. »Nein, wir sollten diese Gelegenheit nutzen, um ihm ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Wir werden den Baron dazu bringen, dass er mir die Madonna, die er für falsch hält, überlässt. Dann erst werden wir sie als die echte verkaufen, die sie ist. Dazu müssen wir ihm nur damit drohen, ihn als das zu entlarven, was er ist – ein Gauner! Wer weiß, wen er übers Ohr gehauen hat, um ihm die Madonna abzuluchsen.«
    Emma schüttelte den Kopf. »Monsignore, vergessen Sie auch nicht, dass Sie ein Mann Gottes sind?«
    Â»Hat nicht Gott gesagt: Auge um Auge, Zahn um Zahn? Ich mache das, um Ihrem Vater zu helfen.« Er rieb sich die Hände. »Außerdem ist es meine Aufgabe als Rechtsbeistand Ihres Schutzengels, alles zu tun, damit es gar nicht erst zum Prozess kommt und die Klage schon im Vorfeld zurückgezogen wird.«
    Â»So weit sind wir noch lange nicht«, sagte Emma scharf. »Sobald wir Nachricht vom Amtsgericht Wittenberg haben, dass sie sich für zuständig erklären, geht alles seinen vorgeschriebenen Gang.«
    Â»Keine Sorge, zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige sind sowieso Gerichtsferien«, wandte Wenzel sich an Murat. »Und solange es sich um ein schwebendes Verfahren handelt, können wir das Ruder immer noch zu unseren Gunsten herumreißen.«
    Murat rollte mit den Schultern; es sah aus, als wollte er schwere unsichtbare Flügel entfalten. »Das sind sechs Tage über der Zeit, die mir bewilligt wurde«, stellte er fest.
    Â»Dann müssen wir die Angelegenheit eben ein wenig beschleunigen«, sagte der Monsignore. »Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber jetzt brauche ich dringend meinen Nachmittagsschlaf.«
    Kaum hatte er das Geschäft verlassen, wurde die Tür erneut geöffnet, und Emmas Vater betrat den Laden. Hastig stieß sie Murat mit dem Ellbogen an und flüsterte: »Tu mir einen Gefallen und erzähl meinem Vater nichts von eurem Vorhaben, du Hochstapler!«
    Â»Welchem Vorhaben?«
    Â»Braver Betrüger.«
    Â»Du glaubst mir immer noch nicht?«
    Â»Ich hätte dir geglaubt, wenn die Vase wieder heil gewesen wäre, nachdem du sie angefasst hast.«
    Â»So geht das aber nicht. Das habe ich dir doch erklärt.«
    Â»Alles nur eine faule Ausrede, du Schwindler!« Sie ließ Murat stehen und lief zu ihrem Vater. »Papa, was tust du hier? Du wolltest doch ein paar Tage ausspannen.«
    Â»Ausspannen kann ich, wenn der Gerichtsvollzieher seinen Kuckuck auf das alles hier geklebt hat«, sagte ihr Vater. Dabei ließ er besorgte Blicke durch den Ausstellungsraum schweifen. Als er aber sah, dass alles so war, wie er es verlassen hatte, schien er sich zu entspannen. Er ging zu dem Tisch mit dem Rokokoservice und rückte das Geschirr zurecht, bis es so stand, dass es am besten zur Geltung kam. Dann trat er auf Murat zu. »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
    Â»Ich habe mich nur ein wenig umgeschaut«, sagte Murat, bedachte Emma mit einem vorwurfsvollen Blick und verließ rasch den Verkaufsraum. Mit schnellen Schrit ten verschwand seine schlanke Gestalt in der einbrechen den Abenddämmerung, dann war sie mit ihrem Vater allein.
    Â»Du hast Angst gehabt, dass ich den Laden während deiner Abwesenheit in einen Trümmerhaufen verwandele«, stellte sie fest. »Deswegen bist du hier, Papa.«
    Â»Aber nein«, sagte ihr Vater wenig überzeugend. Er rückte den Vermeer, der etwas schief hing, gerade und drehte die Vase so, dass der Sprung nicht sofort ins Auge fiel. »Wer war das?«, fragte er, als wäre er erst durch die Berührung der Vase richtig auf den eben verschwundenen Kunden aufmerksam geworden. Als sie nicht antwortete, musterte er sie argwöhnisch. Dann hellte seine Miene sich auf. »Da war er, oder? Der Engel,

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