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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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sterben nicht durch die Hand des Feindes, sondern durch seinen Computer. Sie werden von einer Rakete zerfetzt, die auf einem anderen Kontinent oder irgendwo unter der Meeresoberfläche abgefeuert wird. Sie werden von einer Smart Bomb aus einem Flugzeug vernichtet, das so hoch fliegt, dass sie es weder sehen noch hören. Sie sterben, weil jemand im übernächsten Land eine Granate abschießt. Da, wo die Nähe am größten ist, kauern die Tötenden hinter einem Maschinengewehr in einem herabstoßenden Hubschrauber und sehen ihre Opfer als undeutliche Gestalten, die rennen und versuchen, sich zu verstecken oder zurückzuschießen – aber nicht als Menschen.
    Doch so sieht sie der Scharfschütze. Völlig still, völlig stumm liegt er da und sieht sein Ziel als einen Mann mit Dreitagebart, einen Mann, der sich reckt und gähnt, der Bohnen aus einer Dose löffelt, den Reißverschluss an seiner Hose hochzieht oder einfach dasteht und ein Objektiv anstarrt, das eine Meile weit entfernt ist, sodass er es nicht einmal sieht. Und dann stirbt er. Scharfschützen sind etwas Besonderes, auch im Kopf.
    Sie leben in einer eigenen Welt. So umfassend wird ihre Genauigkeitsbesessenheit, dass sie in ein Schweigen verfallen, in dem es nichts mehr gibt als das Gewicht von Projektilköpfen, die Triebkraft bestimmter Pulverladungen und die Frage, wie groß die Winddrift über eine gegebene Distanz sein wird, wie weit die Kugel über diese oder jene Strecke sinken wird und ob am Gewehr noch eine winzige Verbesserung vorgenommen werden kann.
    Wie alle Spezialisten sind sie leidenschaftliche Verfechter rivalisierender Ausrüstungen. Manche Scharfschützen bevorzugen eine winzige Kugel wie die M700 für das Remington 308, ein Geschoss, das so klein ist, dass es mit einer ablösbaren Hülle versehen werden muss, damit es überhaupt durch den Lauf fliegt.
    Andere halten sich an das M21, die Scharfschützenversion des M14-Sturmgewehrs. Das Schwerste ist das Barrett Light Fifty, ein Monstrum, das eine Kugel von der Größe eines menschlichen Zeigefingers mit einem so hohen Produkt aus Masse mal Beschleunigung über eine Meile fliegen lässt, dass sie einen menschlichen Körper explodieren lässt.
    Ausgestreckt zu Captain Linnetts Füßen lag sein Erster Scharfschütze, Master Sergeant Peter Bearpaw, Sohn eines Santee Sioux und einer hispanischen Mutter. Er stammte aus den Slums von Detroit, und die Army war sein Leben. Er hatte hohe Wangenknochen und schräge Augen wie ein Wolf. Und er war der beste Scharfschütze bei den Ledernacken.
    Was in seiner Ellenbeuge lag, als er über das Tal hinwegspähte, war das Cheyenne 408 von CheyTac in Idaho. Es war eine neuere Entwicklung als andere Gewehre, aber nach über dreitausend Schuss auf dem Schießstand war es die Waffe seiner Wahl. Ein Repetiergewehr mit Bolzensystem, was er bevorzugte, weil der harte Schlag des niederfahrenden Bolzens im Augenblick der Detonation für ein winziges Maß an zusätzlicher Stabilität sorgte.
    Er hatte eine einzige, sehr lange und schlanke Patrone in die Kammer geschoben und die Spitze des Projektils geputzt und poliert, um auch die geringste Vibration während des Fluges auszuschließen. Über dem Verschluss saß ein Jim-Leathewood-Zielfernrohr mit vierundzwanzigfacher Vergrößerung.
    »Ich habe ihn, Captain«, flüsterte er.
    Dem Fernglas war der Flüchtige entgangen, aber das Zielfernrohr hatte ihn erfasst. Zwischen den Hütten auf der anderen Seite des Tales stand eine Telefonzelle. Drei Wände waren aus Holz, die vierte war eine Glastür.
    »Groß, langes, zottiges Haar, buschiger Bart?«
    »Roger.«
    »Was macht er?«
    »Er ist in einer Telefonzelle, Sir.«
    Izmat Khan hatte wenig mit seinen Mitgefangenen in Guantanamo gesprochen, aber einer, mit dem er viele Monate im Einzelhaftblock verbracht hatte, war ein Jordanier gewesen, der Mitte der neunziger Jahre in Bosnien gekämpft hatte, bevor er als Ausbilder in die al-Qaida-Lager gekommen war. Er war ein Hardliner gewesen.
    Als die Sicherheitsmaßnahmen während der Weihnachtszeit weniger streng gehandhabt wurden, stellten sie fest, dass sie von Zelle zu Zelle flüsternd miteinander sprechen konnten. »Wenn du jemals hier herauskommst«, hatte der Jordanier gesagt: »Ich habe einen Freund. Wir waren zusammen in den Lagern. Er ist zuverlässig, und er wird einem Wahren Gläubigen helfen. Sag ihm meinen Namen.«
    So hatte er einen Namen und eine Telefonnummer. Izmat Khan wusste nicht, wo das Telefon stand. Er verstand

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