Der Afghane
135 Pfund wütende Muskeln mit scharfen Klauen hatten ihm Hals und Schulter aufgerissen. Es würde nicht mehr aufstehen. Mit einer zweiten Kugel erlöste er es von seinen Qualen. Das Pferd sank zusammen, halb über den Kadaver des Berglöwen. Den Afghanen interessierte es nicht, dass Oberkörper und Vorderbeine der Katze unter dem Pferd lagen.
Er hakte die Schneeschuhe vom Sattel, schnallte sie unter seine Stiefel, hängte das Gewehr über die Schulter und warf einen Blick auf den Kompass. Hundert Schritte weiter war ein großer Felsüberhang. Er kauerte sich darunter, um eine kurze Pause zu machen. Er wusste es nicht, aber für das Infrarot-Sichtgerät war er hier unsichtbar.
»Schießen Sie den Elch ab«, befahl Captain Linnett. »Ich glaube, das ist ein Pferd mit dem Flüchtigen.«
Der Späher betrachtete das Bild auf seinem Monitor genauer.
»Sie haben Recht«, sagte er. »Ich erkenne sechs Beine. Er macht Pause. In der nächsten Runde ist er erledigt.«
Die Vernichtungskraft der Spectre wird durch drei Systeme gesichert. Das schwerste ist die M102-15-mm-Haubitze, deren Feuerkraft an einen einzelnen Menschen eher verschwendet wäre.
Als Nächstes kommt die 40-mm-Bofors-Kanone, die vor langer Zeit aus der schwedischen Flugabwehrwaffe entwickelt wurde, ein schnelles Repetiergeschütz, stark genug, um Gebäude oder Panzer in Stücke zu schießen. Als die Besatzung der Spectre erfuhr, dass ihr Ziel ein Mann auf einem Pferd war, entschied sie sich für das GAU-12/U-Gatling-Bordkanone. Diese schreckliche Waffe feuert 1800 Schuss in der Minute ab, und jedes einzelne der 25-mm-Geschosse kann einen menschlichen Körper auseinanderreißen. Richtet man das intensive Feuer der fünf rotierenden Läufe auf ein Football-Feld, wird nach dreißig Sekunden nichts Größeres als eine Haselmaus am Leben sein. Und die Maus wird bald darauf am Schock verenden.
Die Maximalhöhe für den Einsatz der Bordkanone ist zwölftausend Fuß; also sank die Spectre im Kreisflug auf zehntausend, visierte das Ziel an und feuerte zehn Sekunden lang – insgesamt dreihundert Kugeln auf den Pferdekadaver im Wald.
»Da ist nichts mehr«, meldete der Späher. »Mann und Pferd sind weg.«
»Danke, Echo Foxtrott«, sagte Linnett. »Wir übernehmen.« Die Spectre hatte ihre Mission erfüllt und kehrte nach McChord zurück.
Es hörte auf zu schneien. Die Skier glitten zischend über den neuen Pulverschnee, und sie kamen so schnell voran, wie ein trainierter Athlet auf Skiern vorankommen kann. Dann stieß das Alpha Team auf die Überreste des Pferdes. Wenige Fetzen waren größer als ein Männerarm, aber es waren die Reste eines Pferdes, nicht die eines Menschen. Mit Ausnahme der Fetzen von braunem Fell.
Linnett suchte zehn Minuten lang nach Resten von Arktiskleidung, Stiefeln, Schenkelknochen, Bowiemesser, Bart oder Schneeschuhen.
Die Skier lagen da, einer davon zerbrochen. Das hatte das Pferd beim Sturz getan. Eine Lammfellhülle war da, aber kein Gewehr. Keine Schneeschuhe, kein Afghane.
Noch zwei Stunden bis zur Morgendämmerung, und jetzt war es zu einem Wettrennen geworden. Ein Mann auf Schneeschuhen gegen zwölf Männer auf Skiern. Alle erschöpft, alle verzweifelt. Das Alpha Team hatte ein GPS-System. Als der Himmel im Osten kaum merklich heller wurde, bemerkte der Team Sergeant: »Eine halbe Meile bis zur Grenze.«
Zwanzig Minuten später waren sie auf einer Anhöhe und schauten in ein Tal hinunter, das von links nach rechts verlief. Ein Holzweg, der dort unten entlangführte, markierte die kanadische Grenze. Auf der Höhe gegenüber war eine Lichtung mit ein paar Blockhütten, in die kanadische Holzfäller ziehen würden, wenn der Winter vorüber war.
Linnett hockte sich hin, stützte die Ellenbogen auf und suchte die Landschaft mit dem Fernglas ab. Nichts regte sich. Das Licht nahm zu.
Unaufgefordert zogen seine Scharfschützen ihre Waffen aus den Scheiden, in denen sie während der ganzen Mission gesteckt hatten, setzten die Zielfernrohre auf und schoben eine Patrone in die Kammer. Dann legten sie sich bäuchlings hin und spähten durch ihre Teleskope über das Tal hinweg zur anderen Seite.
Nach soldatischen Maßstäben sind Scharfschützen eine sonderbare Gattung. Sie kommen niemals in die Nähe der Menschen, die sie töten, aber sie sehen sie mit größerer Klarheit und scheinbar größerer Nähe als irgendjemand sonst in der heutigen Zeit. Den Kampf Mann gegen Mann gibt es so gut wie nicht mehr, und die meisten Soldaten
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