Der Afghane
von Ihnen«, sagte der Infrarot-Techniker vier Meilen hoch über ihnen.
»Darüber lache ich später«, erwiderte Linnett. »Ungefähr drei Meilen weit nördlich von uns ist ein entlaufener Häftling. Ein einzelner Mann auf Skiern, unterwegs in Richtung Norden. Bestätigen Sie das?«
Es folgte eine Pause, eine lange Pause.
»Negativ. Nichts zu sehen«, sagte die Stimme vom Himmel dann.
»Er muss da sein«, widersprach Linnett. »Er ist da irgendwo vor uns.«
Die letzten Ahornbäume und Lärchen lagen weit hinter ihnen, und sie stiegen einen kahlen Geröllhang hinauf. Der Schnee fiel senkrecht auf sie herab, ungefiltert vom Astwerk. Weit hinter ihnen lagen Lake Mountain und Monument Peak. Die Männer sahen aus wie Gespenster, weiße Zombies in einer weißen Landschaft. Wenn Linnett mit seinen Männern mühsam vorankam, ging es dem Afghanen genauso. Und dafür, dass es kein Infrarot-Bild von ihm gab, konnte es nur eine Erklärung geben: Der Afghane war in einer Höhle oder in einem Schneeloch untergekrochen, sodass seine Körperwärme nicht nach oben dringen konnte. In diesem Fall aber holte Linnett den Vorsprung des Flüchtigen auf. Die Skier glitten leicht über die Bergflanke auf ein weiteres Waldgebiet zu.
Die Spectre hatte Linnetts Position bis auf einen Meter genau erfasst. Noch zwölf Meilen bis zur kanadischen Grenze. Noch fünf Stunden bis zur Morgendämmerung – oder das, was in diesem Land aus Schnee, Bergen, Felsen und Bäumen als Morgendämmerung gelten konnte.
Linnett schätzte, dass es noch eine Stunde dauern würde. Die Spectre kreiste und spähte, aber sie sah nichts, was sie hätte melden können.
»Checken Sie noch mal«, verlangte Captain Linnett. Allmählich schwante ihm, dass etwas schiefgegangen war. War der Afghane hier oben gestorben? Möglich; das würde die Abwesenheit jeder Wärmeabstrahlung erklären. Oder hockte er in einer Höhle? Auch möglich, doch dann würde er bald herauskommen und laufen, wenn er nicht darin sterben wollte. Und dann …
Izmat Khan hatte das energische, aber müde Pferd vom Geröllhang in den Wald getrieben und hatte seinen Vorsprung in Wahrheit vergrößern können. Der Kompass sagte ihm, dass er immer noch nach Norden ritt, und es ging bergauf.
»Ich scanne einen Bogen von neunzig Grad mit Ihnen im Zentrum«, meldete der Späher. »Bis hinauf zur Grenze. Innerhalb dieses Bogensegments sehe ich acht Tiere. Vier Rehe, zwei Schwarzbären, die sehr schwach zu erkennen sind, weil sie in tiefer Deckung im Winterschlaf liegen. Dann etwas, das aussieht wie ein streunender Berglöwe, und einen einzelnen Elch, der nach Norden wandert. Ungefähr vier Meilen vor Ihnen.«
Die Arktiskleidung des Chirurgen war einfach zu gut. Das Pferd schwitzte vor Erschöpfung und war deutlich zu erkennen, aber der Mann, der darauf saß und sich über seinen Hals beugte, um es anzutreiben, war mit seiner wärmeisolierenden Kleidung so gut getarnt, dass er mit dem Tier verschmolz.
»Sir«, sagte einer der Pionier-Sergeants, »ich bin aus Minnesota.«
»Heben Sie sich Ihre Probleme für den Militärpfarrer auf«, blaffte Linnett.
»Ich will nur sagen, Sir«, fuhr das schneeverkrustete Gesicht neben ihm fort, »dass Elche bei solchem Wetter nicht auf die Berge hinaufziehen. Sie kommen in die Täler und suchen Flechten. Das kann kein Elch sein.«
Linnett ließ halten. Den Männern war es willkommen. Er starrte in das Schneetreiben vor ihnen. Wie der Mann das geschafft hatte, war Linnett schleierhaft. Vielleicht noch eine einsame Hütte, mit einem Idioten, der dort überwinterte und einen Stall hatte. Irgendwie hatte der Afghane sich ein Pferd beschafft und ritt ihm davon.
Vier Meilen vor ihm, im tiefen Wald, geriet Izmat Khan, der Lemuel Wilson aufgelauert hatte, selbst in einen Hinterhalt. Der Puma war alt und ein bisschen zu langsam für Rehe, aber er war schlau und sehr hungrig. Er kam von einem Felsen zwischen den Bäumen herunter. Das Pferd hätte ihn gewittert, wenn es nicht so erschöpft gewesen wäre.
Ehe der Afghane sich versah, hatte etwas Schnelles, Braunes das Pony angefallen, das seitwärts zusammenbrach. Der Reiter hatte gerade noch Zeit, Wilsons Jagdgewehr aus der Scheide neben dem Sattelknauf zu reißen und sich rückwärts aus dem Sattel fallen zu lassen. Er landete, drehte sich um, zielte und schoss.
Es war sein Glück gewesen, dass der Berglöwe es auf das Pferd und nicht auf ihn selbst abgesehen hatte, aber er hatte sein Reittier verloren. Es lebte noch, doch
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