Der Afghane
beiden Inder verließen ihren Posten, liefen unter Deck zu ihren Spinden und holten ihre Pistolen. Der eine begab sich zur Mitte des Tankers, wo die Speigatten am tiefsten über dem Wasser lagen: Hier würden die Männer an Bord kommen. Der andere ging auf die Brücke und richtete die Mündung seiner Waffe auf Kapitän Montalbans Schläfe.
»Tun Sie bitte nichts, Kapitän«, sagte er mit großer Höflichkeit. »Sie brauchen die Fahrt nicht zu verlangsamen. Meine Freunde werden in ein paar Minuten an Bord kommen. Versuchen Sie nicht, einen Funkspruch abzusetzen, denn dann muss ich Sie erschießen.«
Der Kapitän war so verblüfft, dass er gehorchte. Als er sich wieder gefasst hatte, warf er einen Blick auf das Funkgerät an der Seite der Brücke, aber der Inder sah es und schüttelte den Kopf. Der Kapitän gab auf. Minuten später waren die vier anderen Terroristen an Bord, und jeder Widerstand war zwecklos.
Der Letzte, der das Schlauchboot verließ, schlitzte es mit einem Messer auf; es versank im Kielwasser, als die Leine gekappt war. Die drei anderen waren inzwischen mit ihren Segeltuchtaschen über das Spaghettigewirr von Rohren, Schläuchen und Tankventilen auf dem Vorschiff des Tankers gestiegen und auf dem Weg nach achtern.
Kurz darauf erschienen sie auf der Brücke: zwei Algerier und zwei Marokkaner, die Dr. al-Khattab einen Monat zuvor hergeschickt hatte. Sie sprachen nur nordafrikanisches Arabisch, aber die beiden Inder, höflich wie zuvor, übersetzten. Die vier südamerikanischen Besatzungsmitglieder wurden auf das Vorschiff geschickt, wo sie warten sollten. Als Nächstes würde man einen neuen Kurs berechnen.
Eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit wurden die vier Besatzungsmitglieder kaltblütig ermordet. Jedem wurde eine Kette um die Knöchel gewickelt, dann warf man sie über Bord. Wenn Kapitän Montalban noch einen Rest von Widerstandsgeist in sich gehabt hatte, war es jetzt damit vorbei. Die Exekutionen gingen mechanisch vonstatten; die beiden Algerier hatten in ihrer Heimat der Bewaffneten Islamischen Front angehört und Hunderte wehrloser Fellachen ermordet, ein Massenmord, der nichts weiter bezweckte, als ein Signal an die algerische Regierung zu senden. Männer, Frauen und Kinder, Kranke und Alte – sie hatten so viele getötet, dass vier Matrosen eine reine Formalität für sie waren.
Die Nacht hindurch fuhr die Do ñ a Maria nach Norden, aber ihr Ziel war nicht mehr Puerto Rico. An ihrer Backbordseite lag das weite karibische Becken, das ununterbrochen bis Mexiko reichte. An Steuerbord, nicht allzu weit entfernt, lagen die beiden Inselketten, die Inseln unter dem Winde und Inseln über dem Winde genannt werden. In der warmen See ringsum sieht man sie oft nur als Urlaubsziele, aber es wimmelt dort auch von Hunderten kleiner Trampschiffe und Tanker, die diese Inseln versorgen und für die Touristen am Leben erhalten.
In diesem Gewirr von Küstenfrachtern und kleinen Inseln würde die Doña Maria verschwinden und verschwunden bleiben, bis man sie in Puerto Rico als überfällig registrierte. Als die Countess of Richmond die Kalmenzone erreichte, beruhigte sich die See, und Jusuf Ibrahim kam aus seiner Kabine. Er war bleich und erschöpft von der Seekrankheit, aber die hasserfüllten schwarzen Augen waren immer noch unverändert, als er seine Befehle erteilte. Die Crew schleppte ein aufblasbares, zwanzig Fuß langes Schnellboot aus dem Maschinenraum, wo es gelagert hatte, und als es starr aufgeblasen war, hängten sie es an die beiden Davits über dem Heck.
Sechs Mann waren nötig, die schwitzend und grunzend den 100-PS-Außenbordmotor heraufholten und am Heck des Bootes anbrachten. Dann wurde das Boot in die sanfte Dünung am Heck hinuntergelassen.
Treibstofftanks wurden auf dem Boot verzurrt. Nach einigen Fehlstarts erwachte der Motor stotternd zum Leben. Der indonesische Steuermann übernahm das Ruder und fuhr einen schnellen Kreis um die Countess.
Schließlich kletterten die anderen sechs Mann über ein Fallreep zu ihm hinunter, und nur der Killer mit dem verkrüppelten Arm blieb am Steuer des Schiffes zurück. Offensichtlich handelte es sich um eine Generalprobe.
Sinn der Übung war, den Kameramann Suleiman ungefähr dreihundert Meter weit von dem Frachter wegzubringen und zu wenden, damit er ihn mit seiner digitalen Ausrüstung fotografieren konnte. Über seinen mit dem Mini-M-Satellitentelefon verbundenen Laptop konnten die Bilder dann zu einer Website auf der anderen Seite der
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