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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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stieg lautlos herauf, als die beiden Russen starben, dann quoll eine schwarze Rauchwolke in den Himmel. Schon diese würde die Aufmerksamkeit der Russen in Jalalabad erregen. So beschwerlich und langwierig die Reise über Land auch sein mochte – für einen Tiefflieger vom Typ Sukhoi wären es nur ein paar Minuten.
    »Los«, sagte er auf Arabisch zu seinem Führer. Der Junge wollte aufstehen, aber er konnte es nicht. Jetzt sah Martin den Blutfleck an der Seite des Oberschenkels. Wortlos legte er den wiederverwendbaren Startzylinder auf den Boden und ging seinen Rucksack holen.
    Mit seinem Kampfmesser schlitzte er das Hosenbein des shalwar kameez auf. Das Loch im Bein war sauber und klein, doch es sah tief aus. Wenn das Bordgeschütz die Wunde verursacht hatte, dann konnte es nur ein Hülsenfragment oder ein Steinsplitter sein, aber Martin wusste nicht, wie weit dieser Splitter von der Oberschenkelarterie entfernt war. Seine Erste-Hilfe-Ausbildung in Hereford war gut gewesen, doch eine afghanische Bergflanke kurz vor einem sowjetischen Angriff war nicht der Ort für einen komplexen chirurgischen Eingriff.
    »Werden wir sterben, Anglies?«, fragte der Junge.
    »Inshallah, nicht heute, Izmat Khan. Nicht heute«, antwortete Martin, der sich in einem üblen Dilemma sah. Er brauchte den Rucksack und alles, was darin war. Und er konnte entweder den Rucksack oder den Jungen tragen – aber nicht beides.
    »Kennst du diesen Berg?«, fragte er, während er nach Verbandsmaterial wühlte.
    »Natürlich«, sagte der Junge.
    »Dann muss ich mit einem anderen Führer zurückkommen. Du musst ihm sagen, wohin er mich bringen soll. Den Rucksack und die Raketen werde ich vergraben.«
    Er öffnete eine flache Stahlschachtel und nahm eine Spritze heraus. Der Junge beobachtete ihn mit bleichem Gesicht.
    So soll es sein, dachte Izmat Khan. Wenn der Ungläubige mich foltern will, soll er es tun. Ich werde keinen Laut von mir geben.
    Der Anglies stieß ihm die Nadel in den Schenkel. Izmat Khan gab keinen Laut von sich. Sekunden später tat das Morphium seine Wirkung, und die quälenden Schmerzen in seinem Schenkel ließen nach. Mit neuem Mut versuchte er sich aufzurichten. Der Engländer hatte einen kleinen Klappspaten hervorgeholt und grub damit eine Furche in den Schiefer zwischen den Felsen. Als er fertig war, legte er seinen Rucksack und die beiden Abschusszylinder hinein und bedeckte alles mit Steinen, bis es nicht mehr zu sehen war. Aber er hatte sich die Form des Steinhaufens eingeprägt. Wenn jemand ihn an diesen Berghang zurückführte, würde er seine Sachen wiederfinden.
    Der Junge protestierte und beteuerte, er könne gehen, aber Martin warf ihn einfach über die Schulter und marschierte los. Der Afghane bestand nur aus Haut und Knochen, Muskeln und Sehnen und wog nicht mehr als der Rucksack mit seinen ungefähr fünfzig Kilo. Trotzdem kam es nicht in Frage, gegen die Schwerkraft bergauf in dünnere Luft zu steigen. Martin stapfte seitlich an einem Geröllhang vorbei und langsam abwärts ins Tal. Wie sich herausstellte, war das eine kluge Entscheidung.
    Abgeschossene sowjetische Flugzeuge lockten immer wieder Paschtunen an, die darauf brannten, das Wrack zu plündern und mitzunehmen, was brauchbar oder wertvoll sein konnte. Die Sowjets hatten die Rauchwolke noch nicht entdeckt, und Simonows letzter Funkspruch war ein Schrei gewesen, den sie nicht hatten orten können. Aber der Rauch hatte einen kleinen Trupp Mudschaheddin aus einem anderen Tal herbeigelockt. Sie trafen einander dreihundert Meter hoch über dem Talboden.
    Izmat Khan berichtete ihnen, was passiert war. Die Männer aus den Bergen grinsten entzückt und klopften dem SAS-Mann auf die Schulter. Er erklärte nachdrücklich, sein Führer brauche Hilfe und nicht nur ein Glas Tee in einem chaikhanna in den Bergen. Er brauche ein Transportmittel und ein Hospital, in dem man ihn operieren könne. Einer der Muj kannte einen Mann mit einem Maultier, nur zwei Täler weiter, und er ging ihn holen. Es dauerte bis zum Abend. Martin gab dem Jungen eine zweite Morphiumspritze.
    Mit einem neuen Führer und einem Maultier für Izmat Khan ging es dann endlich weiter. Zu dritt wanderten sie durch die Nacht, bis sie in der Morgendämmerung an der Südseite der Spin Ghar ankamen und der Führer stehen blieb. Er deutete nach vorn.
    »Jaji«, sagte er. »Araber.«
    Dann wollte er sein Maultier wiederhaben. Martin trug den Jungen die letzten beiden Meilen auf den Schultern. Jaji war ein

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