Der Afghane
SAS waren es, die die IRA wirklich in Angst und Schrecken versetzten, und einen Sassman, wie sie dort hießen, zu töten – oder besser noch lebend zu fangen, zu foltern und dann zu töten – war der Traum eines jeden IRA-Mannes. Mike Martin kam zur 14th Intelligence Company, einer Aufklärungseinheit, auch bekannt als »Detachment« oder kurz »The Det«.
Sie waren Beobachter, Verfolger, Lauscher, und ihre Aufgabe war geheim: Sie durften nicht gesehen werden und mussten herausfinden, wo die IRA-Killer als Nächstes zuschlagen würden. Zu diesem Zweck leisteten sie Bemerkenswertes. Sie drangen durch das Dach in die Häuser von IRA-Führern ein und verwanzten sie vom Dachboden abwärts. Wanzen wurden auch in den Särgen toter IRA-Leute versteckt, weil die Paten die Gewohnheit hatten, Konferenzen abzuhalten, während sie so taten, als erwiesen sie dem Toten die letzte Ehre. Kameras mit starken Teleobjektiven zeichneten Mundbewegungen auf, nach denen Lippenleser entzifferten, was gesprochen wurde. Richtmikrofone verfolgten Gespräche hinter geschlossenen Fenstern. Und wenn das Det ein echtes Juwel gefunden hatte, informierte es die harte Truppe.
Die Regeln für bewaffnete Auseinandersetzungen waren streng. Die IRA-Leute mussten zuerst schießen, und sie mussten auf den SAS schießen. Wenn sie auf Zuruf ihre Waffen fallen ließen, mussten sie gefangen genommen werden. Bevor sie einen einzigen Schuss abgaben, mussten SAS und Fallschirmjäger immens vorsichtig sein. Es ist eine neue Tradition bei britischen Politikern und Juristen, dass Großbritanniens Feinde Bürgerrechte haben, seine Soldaten aber nicht.
Dessen ungeachtet war Martin in den achtzehn Monaten, die er als SAS-Captain in Ulster verbrachte, an mehreren nächtlichen Kommandounternehmen beteiligt. Bei jedem wurde ein Trupp bewaffneter IRA-Kämpfer überrascht und angerufen. Jedes Mal waren sie dumm genug, ihre Waffen zu ziehen und auf die SAS-Soldaten zu richten. Jedes Mal fand das Royal Ulster Constabulary ihre Leichen am nächsten Morgen.
Aber bei der zweiten Schießerei bekam Martin eine Kugel ab. Er hatte Glück. Es war eine Fleischwunde im rechten Bizeps, doch es genügte, um ihn nach Hause zu schicken und zur Genesung nach Headley Court, Leatherhead. Dort lernte er die Krankenschwester Lucinda kennen, die wenig später seine Frau wurde.
Bei seiner Rückkehr zu den Fallschirmjägern im Frühjahr 1990 wurde Mike Martin dem Verteidigungsministerium in Whitehall zugewiesen. Er mietete ein Cottage in der Nähe von Chobham, sodass Lucinda weiter in ihrem Beruf arbeiten konnte, und plötzlich sah Martin sich zum ersten Mal in seinem Leben als Pendler, der im dunklen Anzug mit dem Frühzug nach London hineinfuhr. Im Rang eines Staff Officer Three arbeitete er im Büro der Military Operations Special Projects Unit, einer ministeriellen Abteilung, die für besondere militärische Projekte zuständig war. Und auch diesmal war es ein ausländischer Aggressor, der ihn dort herausholen sollte.
Am 2. August jenes Jahres fiel Saddam Hussein ins benachbarte Kuwait ein. Wieder war Margaret Thatcher nicht bereit, das hinzunehmen, und der amerikanische Präsident Bush senior war ihrer Meinung. Innerhalb einer Woche arbeitete man auf Hochtouren an Plänen für eine multinationale Koalition, die eine Gegeninvasion starten und den ölreichen Kleinstaat befreien sollte.
Obwohl das Büro der MOSP alle Hände voll zu tun hatte, war der Einfluss des Secret Intelligence Service groß genug, um Martin dort aufzustöbern und ihm »vorzuschlagen«, sich mit ein paar »Freunden« zum Lunch zu treffen.
Der Lunch fand in einem diskreten Club in St. James's statt, und Martins Gastgeber waren zwei leitende Gentlemen von der Firma. Mit am Tisch saß ein in Jordanien geborener Kommunikationsanalytiker mit britischem Pass vom Communications Headquarter in Cheltenham. Seine Aufgabe dort bestand darin, mitgehörte Funkplaudereien aus der arabischen Welt zu analysieren. Aber seine Rolle an diesem Tisch war eine andere.
Er unterhielt sich mit Mike Martin in schnellem Arabisch; Martin antwortete genauso. Schließlich nickte der Analytiker den beiden Schlapphüten aus Century House zu.
»Ich habe so etwas noch nie gehört«, bemerkte er. »Mit dem Gesicht und mit dieser Stimme geht er durch.«
Damit stand er auf und ging. Seine Aufgabe war erledigt.
»Wir wären Ihnen verflucht dankbar«, sagte der eine der beiden Gentlemen, »wenn Sie nach Kuwait gehen und sich ein bisschen umsehen
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