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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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sich, waren dauernd mit Graben beschäftigt. Es gab also keinen Grund, sich unter sie zu mischen und ihre Sprache zu lernen. Aber Izmat hatte den Koran unzählige Male gelesen; er war in Arabisch geschrieben, und sein Imam hatte nur sein heimisches Saudi-Arabisch gesprochen. Deshalb sprach auch Izmat ein passables Arabisch.
    »Aleikhem as-salaam«, antwortete er. »Wie heißt du?«
    »Mike«, sagte der Mann.
    »Ma-ick«, versuchte Izmat. Ein merkwürdiger Name.
    »Gut. Dann lasst uns Tee trinken«, sagte sein Vater. Sie saßen im Schutz eines Höhleneingangs, ungefähr zehn Meilen weit von den Ruinen ihres Dorfes entfernt. Weiter hinten in der Höhle glühte ein kleines Feuer – so tief im Innern, dass keine sichtbare Rauchfahne die Aufmerksamkeit russischer Flieger erregen konnte.
    »Heute werden wir hier schlafen. Morgen früh geht ihr nach Norden. Ich gehe nach Süden zu Abdul Haq. Es wird eine neue Operation an der Straße von Jalalabad nach Kandahar geben.«
    Sie aßen Ziegenfleisch und knabberten Reiskuchen dazu. Dann schliefen sie. Vor dem Morgengrauen wurden die beiden, die nach Norden wandern sollten, geweckt und machten sich auf den Weg. Izmat Khan führte sie durch ein Labyrinth von miteinander verbundenen Tälern, in denen sie einigermaßen geschützt sein würden. Aber zwischen den Tälern gab es immer wieder Kammhöhen, und die Bergflanken waren steile Fels- oder Schieferhänge, an denen es wenig oder gar keine Deckung gab. Da wäre es klug, sie im Mondschein zu überwinden und tagsüber in den Tälern zu bleiben.
    Am zweiten Tag hatten sie Pech. Um schneller voranzukommen, hatten sie ihr Nachtlager vor dem Morgengrauen verlassen; es wurde eben hell, als sie sich gezwungen sahen, eine weite Fels- und Schieferfläche zu überqueren, um die Deckung des nächsten Höhenzugs zu erreichen. Hier abzuwarten würde bedeuten, dass sie einen ganzen Tag verloren. Izmat Khan drängte weiter. Sie hatten die Bergflanke halb überquert, als sie das Dröhnen des Kampfhubschraubers hörten.
    Der Mann und der Junge warfen sich zu Boden und blieben bewegungslos liegen – aber nicht mehr rechtzeitig. Vor ihnen über dem Höhenkamm erschien, bedrohlich wie eine tödliche Libelle, der sowjetische Mil Mi-24D, bekannt unter dem schlichten Namen »Hind«. Einer der Piloten musste eine rasche Bewegung oder das Blinken von Metall auf der Felsenflanke unter sich gesehen haben, denn der Hind änderte seinen Kurs und kam auf sie zu. Das Dröhnen der beiden Isotow-Motoren erfüllte ihre Ohren zusammen mit dem unverwechselbaren tacka-tacka-tacka der Hauptrotorblätter.
    Mike Martin hob den Kopf von den Unterarmen, um einen kurzen Blick zu riskieren. Kein Zweifel, sie waren entdeckt worden. Die beiden sowjetischen Piloten auf ihren Tandemsitzen, der eine erhöht hinter dem andern, starrten ihn an, als der Hind zum Angriff überging. Auf freier Fläche ohne Deckung von einem Kampfhubschrauber attackiert zu werden ist der Albtraum jedes Fußsoldaten. Mike sah sich um. Hundert Meter weiter war eine kleine Ansammlung von Felsen, nicht einmal mannshoch, jedoch groß genug, um dahinter in Deckung zu gehen. Er schrie dem afghanischen Jungen etwas zu, sprang auf und rannte los. Den fast fünfzig Kilo schweren Rucksack ließ er liegen, aber eines der beiden Rohre, die sein junger Führer mit solcher Faszination betrachtet hatte, nahm er mit.
    Er hörte die Schritte des Jungen hinter sich, das Rauschen des Blutes in den Ohren und das Dröhnen des herabstoßenden Hind. Er hätte diesen Versuch nie unternommen, hätte er an dem Hubschrauber nicht etwas bemerkt, das ihm einen Funken Hoffnung ließ: Die Raketenschächte waren leer, und unter dem Rumpf hingen keine Bomben. Er sog die dünne Luft in die Lunge und hoffte, dass er richtig gesehen hatte.
    Er hatte.
    Pilot Simonow und sein Kopilot Grigoriew hatten einen frühmorgendlichen Einsatz gegen ein schmales Tal geflogen. Agenten hatten gemeldet, dass sich dort Mudschaheddin verbargen. Sie hatten ihre Bomben aus der Höhe abgeworfen und waren dann tiefer hineingegangen, um ihre Raketen in die schmale Felsenschlucht zu feuern. Ein paar Ziegen waren aus dem Spalt in den Bergen geflüchtet – ein Hinweis darauf, dass sich tatsächlich menschliches Leben dort versteckt hatte. Simonow hatte die Tiere mit seinem 30-mm-Geschütz zerfetzt und fast seine ganze Munition verschossen.
    Er war wieder auf eine sichere Höhe gestiegen und hatte Kurs auf die sowjetische Basis bei Jalalabad genommen, als

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