Der Afghane
hatten.
Sie transportierten das ganze Arsenal über die Spin Ghar nach Pakistan und in die Stadt Parachinar, die buchstäblich nichts weiter als ein großer Waffenbasar war. Dort tauschten sie die sowjetische Hinterlassenschaft gegen Rinder, Ziegen und Schafe ein und erneuerten damit ihre Herden.
War das Leben zuvor schon hart gewesen, so war dieser Neuanfang noch härter, aber die Arbeit machte ihnen Freude, und sie sahen triumphierend, dass Maloko-zai wieder leben würde. Ein Mann brauchte Wurzeln, und Izmats Wurzeln waren hier. Mit zwanzig war er es, der die Dorfbewohner freitags als Vorbeter zum Gebet in die kleine Moschee rief.
Wenn die Kuchi-Nomaden durchzogen, brachten sie düstere Geschichten aus den Ebenen mit. Die Armee der Demokratischen Republik Afghanistan, loyal gegen Nadschibullah, kontrollierte immer noch die Städte, aber auf dem Land regierten die Warlords, die sich wie Banditen benahmen. Willkürlich wurden auf den Landstraßen Zollstationen errichtet, an denen Reisende Geld und Waren abliefern mussten, wenn sie nicht verprügelt werden wollten.
Pakistan, genauer gesagt sein Nachrichtendienst ISI, unterstützte Hekmatjar in seinem Streben nach der Herrschaft über ganz Afghanistan, und in den Gegenden, die er kontrollierte, regierte absoluter Terror. Die »Peschawar Seven«, die zusammen gegen die Sowjets gekämpft hatten, hingen sich nun gegenseitig an der Gurgel, und das Volk stöhnte. Die Mudschaheddin, ehemals Helden, galten jetzt als Tyrannen. Izmat Khan dankte dem barmherzigen Allah dafür, dass ihm das Elend der Ebenen erspart blieb.
Nach dem Ende des Krieges hatten fast alle Araber die Berge und ihr geliebtes Höhlensystem verlassen. Auch derjenige, der schließlich ihr ungekrönter Anführer geworden war, der hochgewachsene Saudi aus dem Höhlenlazarett, war fort. Ungefähr fünfhundert Araber waren noch da, aber sie waren nicht beliebt. Sie lebten weit verstreut und wie Bettler.
Mit zwanzig, bei einem Besuch in einem Nachbartal, sah Izmat Khan ein Mädchen, das die Wäsche der Familie in einem Bach wusch. Wegen des rauschenden Wassers hörte sie sein Pferd nicht; bevor sie den Zipfel ihres hijab vor das Gesicht ziehen konnte, hatten sie einander in die Augen geschaut. Erschrocken und verlegen ergriff sie die Flucht. Aber er hatte gesehen, dass sie schön war.
Izmat tat, was jeder junge Mann tun würde. Er beriet sich mit seiner Mutter. Sie war entzückt, und wenig später waren zwei Tanten eine fröhliche Verschwörung mit ihr eingegangen, um das Mädchen zu finden und Nuri Khan zu überreden, mit ihrem Vater zu sprechen und eine Heirat zu vereinbaren. Izmats Hochzeit mit Maryam fand gegen Ende des Frühlings 1993 statt.
Natürlich wurde unter freiem Himmel gefeiert, und die Luft war voller Blütenblätter, die der Wind von den Walnussbäumen wehte. Es gab ein Festessen, die Braut kam auf einem geschmückten Pferd aus ihrem Dorf, Flöten wurden gespielt, und man tanzte unter Bäumen – aber das galt natürlich nur für die Männer. Die Lehren seiner madrasa veranlassten Izmat Khan, gegen Musik und Tanz zu protestieren. Aber sein Vater war wie verjüngt und ließ Izmats Einwände nicht gelten. Also vergaß Izmat für einen Tag seine strenge wahhabitische Ausbildung und tanzte auch auf der Wiese. Die Augen seiner jungen Braut folgten ihm auf Schritt und Tritt.
Die Zeit zwischen der ersten Begegnung am Bach und der Hochzeit war notwendig, um die Einzelheiten der Mitgift zu vereinbaren und um dem jungen Paar ein neues Haus auf dem Anwesen der Familie Khan zu bauen. Dorthin führte er seine Braut, als es Nacht geworden war und die erschöpften Dörfler nach Hause gegangen waren. Vierzig Meter weit von ihnen entfernt, nickte seine Mutter zufrieden, als ein Aufschrei in der Nacht ihr verriet, dass ihre Schwiegertochter zur Frau geworden war. Drei Monate später war klar, dass sie im Schnee des Februar ein Kind zur Welt bringen würde.
Während Maryam mit Izmats Kind schwanger war, kehrten die Araber zurück. Der hochgewachsene Saudi, der sie angeführt hatte, war nicht dabei; er war in einem fernen Land namens Sudan. Aber er schickte eine Menge Geld, und dieser Tribut an die Warlords ermöglichte ihm, Ausbildungslager einzurichten. Hierher, nach Khalid bin Waleed, al-Farooq, Sadeek, Khladan, Dschihad Wal und Darunta, kamen Tausende neuer Freiwilliger aus allen arabischen Ländern, um sich für den Krieg ausbilden zu lassen.
Aber für welchen Krieg? Soweit Izmat Khan sehen konnte,
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