der Agentenschreck
die der General verkörperte. Der General würde diese Aufrührer einfach zertreten. Und sie
auch, wenn sie jemals in sein Blickfeld geriet. Und dabei verbargen sich unter dem Vogel auf ihrem Hut acht höchst illegale Pässe.
5
In Sofia durften die Passagiere erst aussteigen, nachdem der General und seine beiden
Offiziere die Maschine verlassen hatten. Mrs. Pollifax steckte ihren Hut sorgsam am Haar fest und bemühte sich, nicht daran zu denken, daß sie Schmuggelgut beförderte. Dann ging sie zum Zoll. Trotz ihrer Karatestunden bei dem pensionierten Polizisten Lorvale Brown war sie äußerst nervös. Ihr Koffer wurde geöffnet und systematisch durchsucht.
Dann sah der Zollbeamte sie an. Seine Augen wurden schmal, als sein Blick auf den Vogel auf ihrem Hut fiel. Mrs. Pollifax nahm sich zusammen und erwiderte erstaunt seinen Blick. Er grinste, gab seinem Kollegen einen Rippenstoß und deutete auf den Vogel. Zwei
Augenpaare musterten ihren Hut ungläubig.
Dann schmunzelte der erste Beamte ihr bewundernd zu und winkte ihr, weiterzugehen.
Aufatmend gehorchte sie. Sie hatte die Zollkontrolle überstanden. Jetzt stand ihr nur mehr das Reisebüro Balkantourist bevor. Und ihre Knie würden mit der Zeit wohl ganz von selbst aufhören zu zittern.
Carstairs hatte ihr die Bulgaren als die Realisten unter den Balkanvölkern geschildert. »Sie sind auch die Vertrauenswürdigsten. Nie würden sie jemand ein Messer in den Rücken
stoßen«, hatte er gesagt.
»Wie beruhigend«, hatte Mrs. Pollifax gemeint.
»Sie warten zuerst, bis man sich umdreht.«
Carstairs Worte fielen ihr ein, als sie die Angestellte des Reisebüros sah, die sie hinter dem Zoll erwartete. Die vierschrötige, kräftige junge Frau begrüßte sie herzlich. Ihre Augen jedoch blieben merkwürdig unbewegt, beinahe
verächtlich. Sie trug kein Makeup, hatte vorspringende Backenknochen und wirkte maskulin.
Am Kragen ihres verdrückten Khakikleides trug sie Rangabzeichen. »Ich heiße Nevena«,
sagte sie mit tiefer Stimme und starkem Akzent. Dann kehrte sie Mrs. Pollifax den Rücken und scherzte ausgiebig mit den Zollbeamten. Mrs. Pollifax schloß ihren Koffer ab, schob den Paß in ihre Tasche und wartete. Alle schienen Nevena zu kennen. Und sie hatte sichtlich keine Eile.
Es war langweilig, einfach dazustehen. Mrs. Pollifax sah zur zusammengeschmolzenen
Schar an der Zollsperre zurück. Die jungen Leute vom Belgrader Flughafen stritten schon wieder, diesmal allerdings mit den Zollbeamten. Philip lehnte an der Zollschranke und
unterdrückte ein Gähnen. Debby sah verzagt aus. Nikki allerdings gestikulierte lebhaft und redete aufgeregt auf den Mann am Schalter ein. Das alles registrierte Mrs. Pollifax in
Sekundenschnelle. Inzwischen war ein neuer Beamter hinzugekommen, um den Zwist zu
schlichten. Er sonderte die Gruppe von den übrigen Reisenden ab und führte sie in eine
Ecke der Halle.
»Ich muß noch mal zum Zoll«, erklärte Mrs. Pollifax Nevena energisch. »Wie ich sehe,
haben meine Freunde Schwierigkeiten. Vielleicht kann ich ihnen helfen.«
Nevena zog mißbilligend die Brauen hoch. »Helfen?« fragte sie unfreundlich.
»Dort in der Ecke, sehen Sie?«
Nevena sah ihrem Finger nach. Dann musterte sie Mrs. Pollifax mißtrauisch. »Sie kennen
diese Leute?«
»Ja.«
Nevena schüttelte den Kopf. Neugierig und etwas ratlos betrachtete sie Mrs. Pollifax. »Der Mann, der spricht mit Leuten, ist nicht Zoll. Wir gehen jetzt.«
»Aber ich —«
»Wir gehen«, sagte Nevena streng, faßte Mrs. Pollifax beim Ellbogen und steuerte sie zum Ausgang.
»Das begreife ich nicht«, sagte Mrs. Pollifax widerspenstig.
Nevena blieb vor dem Flughafengebäude stehen. »Wenn sie Ärger haben, Sie können ihnen
nicht helfen.«
»Warum sollten sie Ärger haben?«
»Das ist ein Mann vom Sicherheitsdienst, der sie vernimmt. Wünschen Sie auch Ärger?«
»Sicherheitsdienst?« wiederholte Mrs. Pollifax.
»Hier ist das Auto«, sagte Nevena im Befehlston. »Einsteigen — bitte.«
Mrs. Pollifax zögerte. Doch dann fiel ihr ein, daß sie sich keinen Zusammenstoß mit
Beamten leisten durfte und daß mit Sicherheitsdienst die Geheimpolizei gemeint war.
Seufzend stieg sie in den Wagen. »Was für Ärger?« bohrte sie, sobald Nevena neben ihr
saß.
Nevena zuckte die Achseln. »Vielleicht Visa nicht in Ordnung?«
Das beruhigte Mrs. Pollifax. In diesem Fall würden die jungen Leute nach Jugoslawien
abgeschoben werden, und damit hatte sich der Streit um die
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