der Agentenschreck
Bulgarienreise ganz von selbst erschöpft.
Trotzdem sollte ihr das eine Warnung sein. Es war äußerst ungesund, hier der Polizei
aufzufallen. Sie mußte vorsichtig sein.
»Jetzt«, sagte Nevena und startete den Motor. »Ich spreche Ihnen von Sofia, welches ist rund fünftausend Jahre alt und ist Hauptstadt von Bulgarien. Ist vierte bulgarische
Hauptstadt nach Pliska, Preslav und Tarnovo. Obwohl Sofia von den Goten, Magyaren,
Hunnen und Kreuzfahrern immer wieder zerstört und niedergebrannt wurde, ist es heute
eine schöne moderne Stadt...«
O weh, dachte Mrs. Pollifax und unterdrückte ein Gähnen. Sie mußte diese monotone
Stimme zum Schweigen bringen.
»Es gibt hier in Sofia einen Herrn, den ich morgen aufsuchen möchte. Würden Sie mir bitte sagen, wie ich ihn finde?«
Nevena wurde sofort mißtrauisch. »Sie haben Bekannte in meinem Land?«
Mrs. Pollifax schüttelte den Kopf. Deutlich und langsam setzte sie ihrer Begleiterin
auseinander: »Nein, er ist kein Bekannter von mir. Er ist nicht mal Bulgare. Ein Freund hat ihn mir für den Fall empfohlen, daß ich mehr über Ihr Land erfahren möchte. Er heißt
Carleton Bemish.«
»Oh — Mistair Bemish!« Nevena lachte. Ihr maskenhaftes Gesicht belebte sich und war
plötzlich hübsch. »Den komischen Mann? Jeder kennt Bemish. Vielleicht er hat Zeit. Er wäre ein guter Mann für Sie, wenn ist nicht zu beschäftigt. Ich selbst habe nicht genug Zeit, aber Sie können sich Gruppe anschließen, die ich morgen beginne. Pünktlich dreizehn Uhr macht Stadtrundfahrt in Balkantourist-Bus. Sehr moderner Bus.«
»Ich miete für die Dauer meines Aufenthaltes einen Wagen«, sagte Mrs. Pollifax.
»Oh —« Nevena schlug sich gegen die Stirn. »Sie sind genau! Elf Uhr morgen.« Sie
verlangsamte die Fahrt. »Mr. Bemish wohnt hier«, sagte sie und zeigte auf ein schmales, modernes Betongebäude mit vielen symmetrisch angeordneten Balkonen. »Nur fünf Plätze
von Ihrem Hotel. Ich schreibe Ihnen Adresse in Bulgarisch auf, wenn wünschen.«
Mrs. Pollifax prägte sich das Gebäude genau sein. »Danke.«
Sie versuchte, sich unterwegs die einzelnen Straßenecken zu merken.
In wenigen Minuten erreichten sie einen Platz mit modernen Läden und einem hohen
Gebäude aus Beton und Glas. »Ihr Hotel«, sagte Nevena stolz.
Es war tatsächlich das Hotel Rila, obwohl das aus den großen Buchstaben über dem
Eingang nicht zu erraten war. Nevena parkte bei einem Nebeneingang, über dessen Stufen
man in eine kleine Halle gelangte. »Jetzt ist fünfzehn Uhr«, sagte sie mit einem raschen Blick auf ihre Uhr. »Ich melde Sie in Hotel an und dann ich habe Zeit, Ihnen selbst Sofia zeigen. Ein und einhalb Stunden. Sehr rasch nur, aber —«
»Ein andermal gerne, aber jetzt würde ich mich wirklich lieber ausruhen«, wehrte Mrs.
Pollifax höflich ab.
Nevena sah sie forschend an. »Sie sind alt?«
»Sehr«, sagte Mrs. Pollifax.
Nevena nickte. »Sie geben mir Paß, ich melde Sie an.« Am Pult sprach sie ernsthaft mit
dem Portier. Dann wandte sie sich an Mrs. Pollifax. »Okay, ich gehe jetzt. Morgen Punkt elf Uhr ich treffe Sie hier, wenn der Wagen kommt. Der Hoteldiener spricht nicht englisch.«
»Vielen Dank.«
»Wenn er Ihren Koffer auf Zimmer trägt, geben Sie ihm nur wenige Stotynki, verstehen?
Sofia ist kein kapitalistische Stadt.«
Mrs. Pollifax nickte und sah Nevena nach, die sich energischen Schritts entfernte. Was tat eine phlegmatische, tüchtige Person wie Nevena mit zwei unverhofften freien Stunden?
Ruhen sicher nicht. Aber schließlich hatte auch Mrs. Pollifax nicht die Absicht zu ruhen.
Vielmehr wollte sie die kurze, unbeaufsichtigte Zeit für ihre geheime Mission nützen.
Sie wollte Durovs Schneiderladen aufsuchen.
6
Nichts in diesem Hotelbezirk Sofias war schäbig. Alles war blitzblank, nackt, neu, die Straßen beinahe ohne jeden Verkehr. Mit der Karte in der Hand überquerte Mrs. Pollifax die Vasil-Lewski-Straße bis zu Haus Nummer neun und studierte das Wort über dem Auslagenfenster. Es hieß ШИВαЦ. Das half ihr kaum weiter. Sie spähte durch die Scheibe.
An den Wänden hingen Stoffballen. Sie trat ein. Zwei Männer und eine Frau bewegten sich über Näharbeiten. Die grauhaarige Frau stand von ihrer Nähmaschine auf und kam ans Pult.
»Sprechen Sie englisch?« fragte Mrs. Pollifax.
Der ältere Mann im Hintergrund riß den Kopf hoch. Wortlos kehrte die Frau zu ihrer Maschine zurück, und der Mann trat näher. »Bitte«, sagte er vorsichtig. »Ich
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