Der Alchimist von Krumau
wie niemals: jenes Fiepen, wie von ängstlichen Welpen, dem er schon so lange hinterherspürt.
Der Geruch nimmt ihm fast den Atem. Dennoch tappt er weiter hinein ins Gewölbe, seine Kette mit beiden Händen dämpfend.
Es sind drei Ballons aus Kristallglas, jeder so groß wie der Schädel eines Riesen, an armdicken Ketten von der Decke hängend und durch gläserne Röhren verbunden. Auf dem Boden unter den Kugeln stehen gewaltige Kupferbecken, gefüllt mit glühender Kohle, deren Hitze den Inhalt der Kristallballons brodeln macht.
Als er näher herantappt, wird das Fiepen lauter, doch es dringt nicht aus den beschlagenen Ballons, wie er im ersten Entsetzen geglaubt hat. Die Welpen müssen hinter den kochenden Glasbehältern sein, aber wie dorthin gelangen: Der ganze Boden ist ja mit glühender Kohle bedeckt. Hastig schaut er hin und her, auf der Suche nach einem Pfad hinter die Kristallkugeln, dabei horcht er unverwandt nach droben, zur Gewölbedecke, wo jederzeit der Vogel der Nacht erscheinen kann.
Doch wie er auch umherspäht, er findet keinen Pfad durchs Meer der glühenden Kohlen. Enttäuscht versucht er, die Schwaden, die von den Glasballons aufsteigen, zumindest mit seinen Blicken zu durchdringen. Ein goldenes Funkeln glaubt er zu erkennen, die bleichen Scheiben kleiner Gesichter, den Glanz hin und her huschender Augenpaare. Solche wie ich!, durchfährt’s ihn, da spürt er das Reißen und Zucken in seinem Innern: der Drach’, der Drach’, und wirft sich schreiend zu Boden, Bauch und Brust auf die kalten Kacheln pressend, die Beine an den Leib gezogen, seinen Kopf unter den Armen bergend.
»Na, Rolfie, wollt’st deine Briederchen besuchen gehn?«
53
»Madame?« Bronja trat von einem Fuß auf den anderen, und ihre rechte Hand krampfte sich in den Saum ihrer Schürze.
»Was gibt’s denn?«, fragte Markéta, die gerade erst in einen der lachsfarbenen Fauteuils gesunken war. Ihr Kopf schmerzte, noch immer fühlte sie sich elend und aufgewühlt. Erst die Entdeckung des toten Nico in der Quelle, und dann auch noch der schreckliche Zwischenfall mit der kleinen Clarissa und dem Bären – es war einfach zu viel für sie, zumal Julius’ Gemütsverfassung ihr zusätzlich Sorgen machte. Seit der Goldprobe ging eine seltsame, schleichende Veränderung mit ihm vor. Seine Augen glänzten beinah ständig auf eine Weise, die sie ebenso beunruhigte wie seine Laune, die binnen eines Herzschlags von greller Heiterkeit in Höllenschwarz umschlagen konnte – und im nächsten Moment wieder zurück!
Die Zofe gab sich sichtlich einen Ruck. »Madame Johanna … sie wünscht Euch zu sprechen – Madame«, fügte sie stammelnd hinzu.
Die Waldstein! Wie viel Verhängnis denn noch am gleichen Tag, dachte Markéta und setzte ein eisernes Lächeln auf, wie sie es bei d’Alembert hundertmal gesehen hatte. »Johanna?« Suchend sah sie sich um, und für einen Moment glaubte sie tatsächlich, dass die fromme Freifrau gleich hinter einer Tapetentür hervorkäme. »Ich lasse bitten.«
»Na ja, Madame …« Bronja zerknüllte nun beidhändig ihren Schürzensaum. »Johanna von Waldstein wünscht, dass Ihr zu ihr kommt – Madame«, fügte sie wieder hinzu und verdrehte die Augen, als ob sie Prügel fürchtete.
»Oh, natürlich.« Wie hatte sie nur annehmen können, dass die Edle sich höchstderoselbst zu ihr bemühen würde? »Wo ist sie denn?«, fragte Markéta und rappelte sich schon wieder aus ihrem Sessel auf.
»In der Kapelle der Herrin. Wenn Ihr mir folgen wollt – Madame?«
Unangenehme Aufgaben erledigt man am besten sofort, sagte sich Markéta, eine Spruchweisheit von Pater Hasek. Während sie hinter Bronja dreintrottete, durch die labyrinthische Flucht pfirsich-und aprikosenfarbener Säle, fühlte sie auf einmal einen Lachreiz in der Kehle, ein Anflug finsterer Heiterkeit, wie sie Don Julius immer häufiger befiel.
Alles in ihr sträubte sich gegen dieses Zusammentreffen, für das sie sich innerlich zu wappnen versuchte, seit sie vom Jagdkastell zurückgekehrt waren. Würde die edle Johanna sie als Badershur verhöhnen? Oder als Hochstaplerin verspotten, die ihre nichtswürdige Herkunft hinter fragwürdigen Adelsbriefen verbarg? Wieder fühlte sich Markéta schrecklich dumm und hilflos, wie vor Wochen, als sie zum ersten Mal diese Frauengemächer betreten hatte. Aber etwas hat sich verändert, dachte sie dann: Julius liebt mich, und ich lieb ihn wie mein eignes Leben.
Ihre Knie fühlten sich weich an,
Weitere Kostenlose Bücher