Der Alchimist von Krumau
und ihr Herz flatterte wie eine aufgestörte Nachtigall. Dennoch fühlte sie sich ein wenig gekräftigt, als sie Bronja weiter durch Zimmer und Kammern folgte, tiefer hinein in das Labyrinth der Frauengemächer, als sie bisher jemals vorgedrungen war. Raum fügte sich an Raum, alle so ineinander verschachtelt, dass man sich wie in einem endlosen Tunnel fühlte – einem mit Damast und Seide verkleideten, mit Kissen und Teppichen ausgepolsterten Stollen zwar, aber doch wie in einer abgeschlossenen Röhre, die von schweren Aromen erfüllt war. Immer drückender wurde der Geruch, süßlich wie Weihrauch, dachte Markéta, vermischt mit exotischeren Düften, die sie nicht einmal dem Namen nach kannte.
Bronja steuerte nun auf eine scheinbar massive Wand zu, die mit einer silbrig gestreiften Seidentapete bedeckt war. Mit der flachen Hand drückte die Zofe gegen eine kaum sichtbare Wölbung, und vor ihr glitt eine Tapetentür auf. Sie traten hindurch und durchquerten einen fast kahlen Vorraum, dessen Fenster mit schwarzen Tüchern verhängt waren.
Endlich blieb Bronja vor einer schwarz lackierten Tür stehen. Sie klopfte an und lauschte, bis von drinnen ein ungnädiges »Nun denn!« ertönte. Zaghaft zog sie die Tür auf und zirpte, dabei zu einem Knicks zusammensinkend: »Gnädige Frau, wie befohlen – Madame Markéta.«
Der Saal, in den Markéta eintrat, schien eine unbestimmte Mitte zwischen Kapelle und Audienzraum einzunehmen. Auch hier waren die Fenster mit dunklen Tüchern zugehängt, sodass die Sonne nur verdüstert durchdringen konnte. An der Stirnwand hing ein riesiges Kreuz aus schwarzem Holz, davor stand ein Bronzebecken, aus dem silbrige Schwaden aufstiegen – die Quelle jenes süßlichen Geruchs. Den Boden bedeckten steinerne Quadrate in Schwarz und Weiß, angeordnet wie auf einem riesenhaften Schachbrett. In der Mitte dieses Feldes stand ein Dutzend schlichter Stühle von schmuckloser Strenge rings um einen schwarzen Marmorsockel, ansonsten war der gewaltige Raum gänzlich kahl. Auf den Stühlen saßen die »heiligen Weiber«, die Markéta vorhin schon gesehen hatte, als sie singend und Weihrauch verspritzend durch den unteren Burghof gewandelt waren. Alle zwölf Nonnen saßen ihr zugewandt, eingemummt in ihre schwarzen Kutten, und sie alle blickten sie so kalt und strafend an, als ob sie die verworfenste Sünderin auf Erden wäre.
»Kommt nur näher – Senorita.«
Erst jetzt richtete Markéta ihr Augenmerk auf die schmale Dame, die inmitten des heiligen Kreises auf dem Sockel thronte. Das ist Johanna?, dachte sie.
Die Waldstein – denn wer sonst sollte die Thronende sein – hob eine vor Juwelen glitzernde Hand und winkte sie mit Zeige-und Mittelfinger herbei. »Lasst Euch betrachten – solange Ihr noch halbwegs ansehnlich seid.«
»Johanna?« Sie trat langsam näher, über schwarze und weiße Riesenfelder stelzend und Julius’ Verlobte ungläubig musternd. Der süßliche Geruch aus dem Bronzetopf benahm ihr fast den Atem. »Ihr seid Johanna von Waldstein?«
»Was erstaunt Euch daran so sehr?« Die Frau auf dem schwarzen Sockel hob strichdünne Augenbrauen.
»Ihr seid so … jung«, sagte Markéta, dabei traf das Gegenteil sehr viel eher zu. Höchstens achtzehn Jahre mochte Johanna von Waldstein zählen, und doch begann sie in der Blüte ihrer Mädchenjahre bereits zu welken. Die scharfen Falten um ihren Mund verieten den galligen Charakter. Und dann die leise Schlaffheit gewisser Hautpartien, dachte Markéta, vorerst nur fürs Auge einer Baderin sichtbar, aber in kaum zehn Jahren würde Johanna von Waldstein einer Vogelscheuche ähneln: die Gestalt allzu dürr, scheinbar fleischlos, die Haut an Hals und Wangen lose herabhängend, zu schweigen von heikleren Partien. Kein Wunder, dass Julius vor derart herben Reizen zurückschreckte, sagte sich Markéta und verspürte ein Kribbeln in der Bauchgegend, als Julius’ Gesicht vor ihrem inneren Auge erschien, sein funkelnder Blick, die vom Tokaier geröteten Lippen.
»Aus welchem Grund sollte Graf Julius’ Verlobte ein altes Weib sein?« Johanna warf den Kopf zurück. »Ahmt er nicht in allen Belangen seinem kaiserlichen Vater nach? Aber woher soll ein Dämchen wie Ihr wissen, wem Rudolf versprochen ist!« Und sie stieß ein krähenhaftes Lachen aus, das die Falten um ihren Mund noch schärfer hervorkerbte.
»Der Kaiser ist mit der Infantin Isabella von Spanien verlobt«, gab Markéta zurück, »das weiß in ganz Böhmen jedes Kind, Madame.«
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