Der Alchimist von Krumau
mahnte sich zur Mäßigung, um den Hass der Dame nicht noch zusätzlich zu schüren. Am besten würde sie selbst so wenig wie möglich reden.
Mit vogelhafter Starre sah Johanna von der Höhe ihres Thronsessels auf sie herab. Tatsächlich war sie in strenges Schwarz gewandet, nach der allerneuesten, allerkatholischsten Mode. Eine weiße Spitzenhaube verbarg nahezu gänzlich ihr schwarzes Haar. Aus dem ebenso blendend weißen Stehkragen spähte ein blasses Gesicht mit spitzem Kinn und dunklen Augen hervor. »Don Julius ist ein Mann«, sagte Johanna endlich, in einem Tonfall, der unerfreulichen Feststellungen vorbehalten schien, »da sind gewisse Dinge wohl unvermeidlich, zumindest in jüngeren Jahren.«
Ihre Blicke strichen Markétas Gestalt hinab, über Brüste, Bauch und Beine, und Markéta empfand, wie derb ihre Leiblichkeit wirken musste, mit den Augen der kargen Dame besehen.
»Wenn Julius in allem seinem Vater nachahmt, wie Ihr sagt, Johanna«, erwiderte sie und ahnte schon im Voraus, dass sie ihre Worte bereuen würde, »welche Rolle kommt dann Euch in seinem Leben zu – und welche mir?«
Die Waldstein beugte sich noch weiter auf ihrem Prunksessel vor und kniff die Augen zusammen. Mehrere der heiligen Weiber waren von ihren Stühlen aufgesprungen und machten Miene, sich auf Markéta zu stürzen, aber sie nahm die Nonnen nur am Rande wahr. Ihr Blick haftete auf dem totenblassen Krähengesicht, das mit zitternder Starre über ihr schwebte.
»Ich jedenfalls«, fuhr sie fort, ebenso betont und leise wie zuvor, »ich lieb Don Julius von Herzen, Madame – jede Faser seines Wesens lieb ich, sein Lachen und seine Launen, seine Leidenschaft und seine Zärtlichkeit.« Das hagere Gesicht über ihr verzog sich wie in jähem Schmerz. »Ergeht’s Euch ebenso, Madame?«, fügte sie hinzu. »Dann mag Don Julius zwischen uns entscheiden.« Sie trat noch einen Schritt näher, so dass sie sich zwischen zwei Nonnen hindurchdrängen und den Kopf in den Nacken legen musste, um der Waldstein weiter in die Augen zu sehen. »Wenn nicht, Johanna, wär’s besser – für Euch und für ihn –, wenn Ihr möglichst bald nach Prag zurückreist.«
Für einen scheinbar endlosen Moment herrschte völlige Stille, dann stieß die Waldstein ein heiseres Lachen aus. Markéta fuhr zusammen. Mit hastigen Schritten wich sie von Johanna und den heiligen Weibern zurück.
»Was für eine Närrin Ihr seid.« Alles an Johanna schien dünn und spitz, selbst ihre Stimme, die wie mit Nadeln in Markétas Gehörgänge fuhr. »Meint Ihr wirklich, nur weil der brave Maître diesen siebenbürgischen Papierfetzen herbeigezaubert hat, könnt Ihr einer von Waldstein gefährlich werden?« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, und wieder verzerrte sich ihr Gesicht wie vor Ekel oder Schmerz. »Genug jetzt, die Angelegenheit wird enden wie die Affärchen vor ihr. Daran zu zweifeln wäre töricht, Senorita – und nun lauft davon, solange Ihr noch laufen könnt!«
Hatte Johanna ihr eben tatsächlich gedroht, und womit denn um Himmels willen? Oder verlier jetzt ich den Verstand?, dachte Markéta und sah ungläubig zu ihrer Widersacherin hinauf. Doch ehe sie noch etwas erwidern konnte, begannen mit einem Mal alle zwölf heiligen Weiber mit schallenden Stimmen zu singen. Auch die Waldstein stimmte sogleich in die Litanei zum Lob ihres gütigen Gottes ein, während sie weiter aus schrägen Vogelaugen zu ihr herabspähte.
Markéta verharrte noch einige Augenblicke, dann wandte sie sich um und stelzte mit weichen Knien aus der Kapelle. Wieso hab ich nur mein Maulwerk nicht bezähmt?, dachte sie. Aber wer weiß, ob der Waldstein sonst die sonderbare Drohung entschlüpft wär?
Warum sollt ich bald nicht mehr laufen können?, fragte sich Markéta noch immer, als sie hinter Bronjas schaukelnden Hüften abermals die Flucht der Frauengemächer durchmaß. Etwa weil’s mir demnächst wie jenem Mariandl ergehen soll? Aber was weiß die Waldstein von dieser Kabale – und wie kommt sie dazu, mir mit dem Schlachtbeil zu drohen?
54
»Einen neuen Bären will ich haben, Maître, pah – eine Bärenfamilie, bis Samstag, ich befehl’s!«
Er hielt inne und weidete sich an d’Alemberts Qualen. Der kleine Mann saß so starr auf seiner Stuhlkante, als fürchtete er, sich mindestens mit der Beulenpest anzustecken, wenn er auch nur die Stuhllehne berührte, ganz zu schweigen von den Fellfetzen und Brocken rohen Fleischs, die auf Tisch und Boden verstreut
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