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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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er sie auf den Tisch zurück, dass der Hirsch auf seinem Lumpenlager zusammenfuhr.
    In die sich anschließende Stille hinein fragte d’Alembert: »Gilt das auch für Jurij Hezilow, Excellence!«
    Julius zog es vor, lediglich die Stirn ein wenig zu runzeln. Für die anderen unsichtbar bewegte er seine Hand unter Markétas Fingern und knetete das feste Fleisch ihres Schenkels in der Hülle aus lachsfarbenem Samt.
    »Wenn Hezilow am Samstag scheitert«, beharrte der Maître,
    »wenn ihm die Goldprobe missglückt – was soll dann mit dem Puppenmacher geschehen?«
    Julius sah ihn an, die weiße Spottmaske, die seit jeher über ihm geschwebt war, und mit einem Mal wurde ihm trüb zumute. Rasch wie Blitze zuckten ihm Bilder durch den Kopf, die er nur allzu gern aus seiner Erinnerung verbannt hätte, aber sie ließen sich nicht ausmerzen, so wenig, wie von Breuner seinen Husten verbeißen konnte. Also blickte er in d’Alemberts weiß geschminkte Fratz wie in ein Labyrinth aus Spiegeln, die immer nur ihn selbst zeigten: als Knaben von drei, sieben, dreizehn Jahren, immer mit düsterem Gesicht, die Stirn gerunzelt, den Kopf trotzig gesenkt, immer allein. In riesigen Sälen, endlosen Fluren, auf dem Fechtboden oder zu Pferde, jedenfalls stets unter der Fuchtel des unerbittlichen Maître, der ihn mit Säbel und Degen so gewandt und elegant wie mit seinem Stöckchen zu dirigieren und zu demütigen, anzutreiben und zu strafen verstand.
    »Zu den Brummbären«, sagte Julius endlich, »das gilt für jeden, auch für den magischen Magister. Aber er wird nicht scheitern, ich weiß es.«
    Endlich trat sein Kammerdiener Robert in den Saal, gefolgt vom feuerhaarigen Hünen Robse und dessen schmächtigem Sohn Hielo, der immer noch die Trommel vorm Bauch trug. Der Bärenfänger wusste nicht, wohin mit seinen riesenhaften Händen, mal verschränkte er die Arme vor der Brust, dann wieder ließ er sie erdwärts hängen; endlich schob er die Hände in den Hosenbund.
    »Drei Tage, Robse«, sagte Julius, »dann bringst du mir neue Bären, eine ganze Familie, hörst du?«
    Der Fänger nickte, dass sein rotes Bartgezottel vorm Brustkasten zitterte.
    »Brummbärvater, Brummbärmutter und so viele Kinder, wie sie halt in die Welt gesetzt haben.« Er knetete Markétas Bein, fast ohne es zu bemerken. »Bis Donnerstagabend, kein Augenzucken später, sonst sperr ich dich und deine Leute in den Graben.« Einen Moment lang malte er sich’s aus, der Gedanke gefiel ihm. »Dann halten wir euch als Bären, Rotbären statt Braunbären, Ringe durch die Nasen, verstehst du mich?«
    Der Riese dienerte und buckelte, dabei stieß er seinen Sohn Gehorsam heischend an, dass die Trommel bummerte. »Vier, Euer Herrlichkeit, wenigstens vier, bis übermorgen, glänzende Gnaden, spätestens bis übermorgen!«
    »Dann scher dich davon, hoppsa, Robse!«
    Der Befehl war noch nicht verhallt, da rannten die Bärenfänger schon aus der Tür.
    »Alles muss vollkommen sein«, sagte Julius, »wenn die väterliche Majestät mich besucht. Die besten Speisen werdet Ihr auftischen, Breuner, das Fürstenappartement lasst herrichten, Hasslach, mit der Ehrenkompanie, Skraliçek, werden wir die kaiserliche Majestät an der Grenze der Grafschaft empfangen.« Mit finsterer Miene sah er von einem zum andern, im Voraus zornig wegen der Fehler, Nachlässigkeiten, Sabotage, die er allerorten schon witterte. »Auch auf Euch verlass ich mich, Medikus, Ihr versteht mich.«
    »Macht Euch keine Sorgen, Euer Liebden«, warf der Maître ein, den er absichtlich übergangen hatte, »alles wird so verlaufen, wie Ihr es Euch wünscht.«
    »Warum sollte ich mich sorgen?«, gab Julius zurück. »Sicher hocken auch in diesem Raum einige Personen, die sich Sorgen machen sollten, aber ich zähl wohl kaum zu diesem Kreis.« Vergeblich forschte er in den Zügen d’Alemberts nach Zeichen der Kränkung oder, besser noch, der Furcht. Er versteht es immer noch meisterlich, sich zu beherrschen, dachte er, aber zweifellos weiß d’Alembert, dass er diese Partie verlieren wird, sein letztes Spiel. Du hast mich lang genug niedergehalten, Meisterlein; jetzt endlich zahl ich’s dir und allen andern heim.
    »Hattet Ihr denn schon Gelegenheit, die Leich’ zu beschauen?«
    Alle Köpfe fuhren herum zu Markéta da Ludanice, die scheinbar gelassen den Medikus ansah; nur Julius bemerkte, dass ihre Finger auf seiner Hand erstarrten. »Den toten Nico mein ich, Herr?«
    »Verbrüht wie eine Wurst in siedendem Wasser«,

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