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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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tatsächlich im Takt der Glocken, die zur Bestattung des falschen Homunkel riefen.
    Als er sich mit einem heiseren Ausruf in sie verströmte und ihre Kehle, ihre Brüste mit Küssen bedeckte, erschauerte auch Markéta unter Wellen der Ekstase, wenngleich der vollkommene Gleichklang, in dem sie sich für selige Momente bewegt hatten, durch die Glocken zerstört worden war.
    Pater Hasek, die Kirche, dahinter der Gottesacker: Sie musste sich sputen.
    Julius blieb im Himmelbett liegen, rücklings hingestreckt, ein Raubtier von glatter, wölfischer Schönheit. Mit spöttischem Lächeln sah er zu, wie sie sich in das schwarze Kleid hineinkämpfte, das Bronja gestern Abend noch für sie herausgesucht und hierhergebracht hatte, ins gräfliche Schlafgemach.
    Die Glockenklänge begannen schon zu verhallen, als Markéta ihm eine Kusshand zuwarf und mit zerzausten Haaren, schwarze Chopinen in den Händen schwenkend, barfuß aus dem Zimmer lief.

  56
     
     
    Wir hausen auf einer toten Kugel, die durch ein gleichgültiges Universum rollt, hatte der Maître gesagt, an ihre Kruste geklammert, bis ein Windstoß uns hinausbläst in die tödliche Kälte des Alls.
    »Du wirst auferstehen, Nicodemus Kudaçek, in der Jugend deines Fleisches und in der Herrlichkeit Gottes am Jüngsten Tag«, hatte dagegen Pater Hasek soeben gepredigt. Nun standen die zwei Dutzend Trauernden mit starren Gesichtern um Nicos Grab herum und sahen zu, wie die Kirchdiener den Sarg in der Erde versenkten.
    Die Glocke der Aussegnungskapelle bimmelte unablässig, ein dünner, dürftiger Klang, der Markéta frösteln machte. Dabei schien die Sonne auf den Gottesacker herab und ließ die Moldau sieben Schritte neben ihnen golden glitzern.
    Zuletzt hab ich vor fünf Jahren hier am offenen Grab gestanden, dachte sie, als Mutter Bianca beerdigt wurde. Aber mehr noch als das klaffende Erdloch erinnerte sie seltsamerweise der Ausspruch des Maître an ihre Mutter, oder vielleicht nicht allein an Bianca, sondern an Mütter überhaupt.
    Tatsächlich sah sie jedes Mal, wenn ihr diese Sentenz in den Sinn kam, eine riesige, steinerne Mutterbrust vor sich, an die sich zehntausend Menschlein ängstlich klammerten. Bis jener Windhauch sie in alle Himmels-und Höllenrichtungen zerblies.
    D’Alemberts eleganter Trübsinn war wie ein langsam wirkendes Gift, das ihr Gemüt umso gründlicher verdüsterte, je tiefer er sie ins Vertrauen zog.
    Wie gerne wär ich jetzt wieder bei Julius, dachte Markéta, in seinen Armen, unter dem moldaublauen Samthimmel seines Pfuhls. Doch stattdessen trat sie, als die Reihe an sie gekommen war, vor das offene Grab, warf eine Hand voll Erde auf den Sargdeckel, was ein hohles Poltern hervorrief, und schritt dann auf Karel Kudaçek und seine Frau Olga zu, um den Flößern ihr Mitgefühl zuzumurmeln.
    Die trauernden Eltern waren von Angehörigen und Freunden umringt. Wieder und wieder wurde die zierliche Mutter umarmt und die Hand des vierschrötigen Vaters geschüttelt. Pater Hasek, rund wie ein Fass in der glänzend schwarzen Soutane, stand einen Schritt neben den beiden, die vor Schmerz regelrecht versteinert schienen.
    Als Markéta sich dem Elternpaar näherte, wichen die Umstehenden zurück, sodass ein leerer Kreis um sie herum entstand. »Olga, Karel«, sagte sie, »es tut mir so …«, dann verschlug es ihr die Sprache. Der Flößer wandte sich um, zog seine Frau mit sich und begann ein leises Gespräch mit dem Pater, der seinerseits nicht erkennen ließ, dass er ihre, Markétas, Gegenwart überhaupt bemerkt hatte. Einige Augenblicke wartete sie noch, zwischen Beschämung und Empörung schwankend, aber die Kudaçeks blieben mit dem Rücken zu ihr stehen, obwohl Karels Wortwechsel mit Pater Hasek schon wieder beendet schien.
    Zögernd drehte Markéta sich wieder um und sah zu, wie die Kirchdiener das Grab zuschaufelten und Blumen und Tannengrün auf den kleinen Hügel häuften.
    Von Vater Sigmund war weit und breit nichts zu sehen, dabei waren er und der Flößer seit vielen Jahren befreundet. Auf einmal sah Markéta ihn vor sich, wie sie ihn in der verdunkelten Stube zurückgelassen hatte, in einem Wirrwarr aus Essensresten und umgeworfenen Weinkrügen. Womöglich war er mittlerweile so betrunken, dass er Nicos Beerdigung vergessen oder es vorgezogen hatte, sich seinen Freunden und Nachbarn nicht zu zeigen.
    Erst als sie den salzigen Geschmack auf ihren Lippen spürte, merkte sie, dass sie weinte.
    Mutter Bianca, dachte sie, hatte niemals, kein

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