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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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einziges Mal versäumt, die Messe aufzusuchen, die Beichte abzulegen, Rosenkränze zu beten oder was immer Pater Hasek ihr an Bußen auferlegte. Aber in meinem Traum, Mutter, leidest du Höllenqualen, bald jede Nacht und Mal für Mal.
    Wieder musste sie an Julius denken, das zerbrechliche Paradies ihrer Liebe. Mit dem Handrücken fuhr sie sich über die Augen, doch es kamen immer weitere Tränen nach.
    »Verzeiht, Madame, bitte verzeiht!«
    Sie wandte sich um und sah durch den Schleier aus Tränen eine kleinwüchsige Gestalt im schwarzen Gewand, die mit beiden Händen ihre Rechte zu erhaschen suchte.
    »Bitte tragt meinem Karel nichts nach, Madame, es ist nur der Schmerz!« Olga Kudaçek bekam Markétas Hand zu fassen und bedeckte sie mit Küssen und Tränen.
    »Um Gottes Willen, Olga.« Sie versuchte die trauernde Mutter an sich zu ziehen, aber die wich zu ihrem Mann hin zurück. Ihr Gesicht drückte so viel Angst aus wie die Miene des Flößers kalten Zorn.
    Alle Trauernden starrten Markéta nun an. Auch der Pater hatte seinen Blick auf sie gerichtet, doch noch immer wirkte er seltsam abwesend, als ob er eine Fremde vor sich sähe.
    »Es war ein Unglück, bitte glaub mir, Olga«, fuhr Markéta beinah gegen ihren Willen fort. »Niemand trägt die Schuld an Nicos Tod – es war Gottes Wille, ihn zu sich zu holen«, setzte sie hinzu. Ebenso gut hätte sie das Gegenteil behaupten können, und sogar mit mehr Überzeugung, wenn auch gleichfalls ohne irgendeinen Beweis.
    Aus weiter Ferne ertönte nun leises Donnergrollen, dabei war der Himmel über Krumau noch immer wolkenlos und leuchtend blau. Dennoch nutzte Pater Hasek den Beistand der Gewalten und reckte drohend seinen Arm zum Firmament empor. »So wie auch niemand die Schuld an Unzucht und Wollust, Todsünde und teuflischer Verderbtheit trägt, die mit dem neuen Grafen droben in der Burg eingezogen sind – wolltet Ihr das sagen, Madame?«
    Das Blut stieg ihr in die Wangen. »Nein, Pater, das wollt ich nicht.«
    »Oder war es vielleicht auch Gottes Wille, dass Euer Vater Sigmund Pichler seines Privilegiums beraubt worden ist, obwohl er immer ein kundiger und gewissenhafter Heiler war, der sich nie die geringste Verfehlung zuschulden kommen ließ?«
    Brennend spürte sie seinen Blick auf ihrem Gesicht. Pater Hasek hatte sie getauft, ihr Lesen und Schreiben beigebracht, sie in der Bibel unterrichtet, ihr die erste Beichte abgenommen. Sie vertraute ihm und schätzte ihn, auch wenn ihr in den letzten Jahren ein Großteil ihres Kinderglaubens abhanden gekommen war, nicht erst durch d’Alemberts Sentenzen und das fiebrig bunte Gomorra droben auf der Burg. »Mit Gottes Willen kenn ich mich nicht aus, Pater«, sagte sie endlich, indem sie die Stimme senkte und nah an ihn herantrat.
    »Aber dass Vater Sigmund an der Affäre ganz unschuldig ist, glaubt Ihr wohl so wenig wie er selbst.«
    Anstelle einer Antwort bekreuzigte er sich vor ihr, wandte sich um und schritt zwischen den Gräbern davon, auf das Kirchgebäude zu, das sich blendend weiß vom Blau des Morgenhimmels abhob. Die Trauergäste folgten der würdevoll schaukelnden Gestalt, doch Markéta wartete neben dem Grab des falschen Homunkel, bis sich die Sandwege des Gottesackers geleert hatten. Dann erst eilte sie zum Ausgang, ihre Chopinen wieder in den Händen, spähte nach links und rechts und huschte über die Straße, vis-à-vis ins Baderhaus.

  57
     
     
    »Er hat mir versprochen, beim Grafen ein Wort für mich einzulegen!«
    »Der Lumpenteufel? Der hilft dir höchstens, schneller zur Hölle zu fahren!«
    »Leise, um Himmels willen – wenn er dich hört!«
    »Was ich von ihm denke, weiß Hezilow längst. Schlimm genug, dass du das Scheusal ins Haus lässt – aber jetzt auch noch seine verluderten Gesellen und einen Haufen fetter Huren dazu!«
    Wie aufs Stichwort drang von der Badestube besoffenes Kreischen aus einem halben Dutzend Weiberhälsen herauf, untermalt von der pfeifenden Stimme des Puppenmachers und heiserem Johlen. Als Markéta eben in die Badestube getreten war, hatte sie ihren Augen nicht trauen wollen: In allen Zubern, auf der Ofenbank, selbst auf dem blanken Boden lagen oder wälzten sich Hezilows wirrbärtige Gehilfen, in den Armen oder zwischen den Schenkeln der feistesten Weiber, die sie jemals zu Gesicht bekommen hatte. Und dazwischen hockte, von Wasserdampf umwabert, Hezilow bei einem knochendürren Kerl mit stechenden Augen, bucklig verwachsen und so splitternackt wie die ganze

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