Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
Versammlung, die bei ihrem Erscheinen in rüde Ermunterungen ausgebrochen war.
    Mit düsterer Miene lauschte der Bader einige Augenblicke nach unten, dann fuhr er Markéta an, mühsam seine Stimme dämpfend:
    »Auf welche Fürsprecher soll man schließlich setzen – wenn schon die eigne Tochter einem in der blanksten Not nicht beisteht? Wirst du mir das wohl mal erklären, Markéta Pichlerová?«
    »Ich hab ja mit dem Obersthofmeister gesprochen«, verteidigte sich Markéta, »mit Maître d’Alembert. Er sagt, dass Don Julius selbst befohlen hat, dir das Privilegium zu entziehen, das macht die Sache nicht grade leichter.« Sie wich seinem Blick aus und wusste dann nicht, wo sie stattdessen hinsehen sollte. Du bist mein Vater nicht. Schon unten im Durchhaus hatte sie geahnt, dass sie es wieder nicht über sich bringen würde, ihm die Kindschaft aufzukündigen. »Aber sobald sich eine günstige Gelegenheit ergibt …«
    »Eine günstige Gelegenheit?«, wiederholte der Bader. »Die ergibt sich doch jede Nacht, meine Hübsche, genauso wie du selbst. Schmeichers ihm ab, derweil du ihm den Schwanz walkst!«
    Für einen Moment stockte ihr der Atem. Vater Sigmund hatte sich niemals einer zarten Sprache bedient, aber diese Worte waren absichtlich grob gewählt. Dabei war der Bader heute keineswegs berauscht; ärger als die trunkene Trübseligkeit, in der sie ihn vor Tagen zurückgelassen hatte, traf sie nun seine Nüchternheit. Im schwarzen Kirchgewand saß er vor ihr am blitzblank geschrubbten Tisch, die Stube war gesäubert, die Fenster freilich noch immer verrammelt, sodass nur spärliche Sonnenstrahlen durch die Läden drangen.
    »Du scheinst Don Julius und mich mit dem Lumpenvolk zu verwechseln, dem du neuerdings deine Badestube öffnest«, sagte sie. »Ist dir eigentlich klar, Vater Sigmund, was diese Kerle und die Huren da unten treiben? Wenn Pater Hasek davon erfährt – oder gar die Nonnen, die jetzt oben in der Burg wohnen –, bist du nicht nur das Privilegium für alle Zeiten los, sondern landest auch noch im Karzer!«
    »Pater Hasek!« Der Bader winkte mit einer Hand ab, die andere zwirbelte seinen Schnauzbart. »Der kann froh sein, wenn sie ihn nicht ganz aus seinem Sprengel verjagen.«
    Der Magen zog sich ihr zusammen, während sie im Stillen seine Worte wiederholte. Daher der abwesende Blick, dachte sie, mit dem der Pater sie eben angesehen hatte, seine abweisende Bitterkeit. »Hasek«, sagte sie, »aber wieso denn nur?«
    »Wieso, wieso?«, äffte der Bader sie schreiend nach. »Weil es deinem Herrn Bastardgrafen eben so passt! Der alte Heiler – weg mit ihm! Der alte Pater – auf den Kehricht! Die alten Stadtbüttel – hui, ins Armenhaus! Und dann? Ja, was weiß denn ich, Markéta? Frag ihn doch selbst, deinen Kaiserfratz, warum er alle diese Posten mit seinen eigenen Leuten besetzt! Das wird schon seinen Grund haben, nicht wahr? Aber vielleicht sagt er’s dir, wenn du ihm nur lang genug die fürstlichen Eier leckst?«
    Markéta sprang auf, bis zu den Schläfen glühend. »Vater Sigmund!« Auch sie schrie jetzt, ohne Rücksicht auf die wirrbärtigen Böcke drunten, die alle im gleichen Takt auf die Ärsche der feisten Huren zu klatschen schienen – jedenfalls hörte es sich so an, als ob achthundert Pfund nacktes Fleisch unter rhythmischen Schlägen erbebten. »Kein Wort mehr gegen Don Julius, sonst sind wir geschiedene Leut’!«
    Sie zitterte am ganzen Leib und musste sich mit beiden Händen auf der Tischplatte aufstützen, so weich fühlten sich ihre Beine an.
    »Ich versteh’s nicht, wirklich nicht«, sagte sie viel leiser,
    »erklär du mir doch: warum?«
    »Wenn ich’s wüsst, würd ich’s dir ja sagen«, gab der Bader zurück; auch seine Wut schien verraucht. »Aber ich begreif so wenig wie du, was da droben vorgeht, Töchterlein, umso weniger, als Don Julius auch einen neuen Scharfrichter eingesetzt hat – der hockt ja auch drunten im Zuber, der Knochendürre mit dem bösen Blick!«
    »Der Henker«, flüsterte Markéta. »Du hast den Henker ins Haus gelassen, Vater Sigmund? Du wusstest, wer er ist, und hast trotzdem zugestimmt?« Nun erst dämmerte ihr, was es mit den schamlosen Weibern drunten in der Badestube auf sich hatte. Seit jeher besaß der Scharfrichter von Krumau das Privilegium, in seinem Haus draußen bei der Richtstätte Huren zu beherbergen, an denen sich die Freier für ein paar Münzen gütlich taten. Aber niemals hatte sie gehört, dass ein ehrbarer Bürger den Henker und

Weitere Kostenlose Bücher