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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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aus vier Zickzackstriemen Blut.
    Im gleichen Augenblick erschallte eine Fanfare, von Westen her, weit entfernt noch und doch gewaltig wie der Ruf eines riesigen Greifs.
    »Das büßt du mir, Hürchen«, knurrte der Soldat, die Blutstropfen auf seinen Fingerspitzen inspizierend. Um dann noch hervorzustoßen, mit tückischer Hellsicht, wie sie von jähem Schmerz manchmal entfacht wird: »Was du von den alten Bütteln wolltest – ich find’s heraus! War was Heimliches,
    hinterm Rücken der Herrschaft – das riech ich doch!«
    Aber Jan Mulars Verwünschung drang kaum mehr an Markétas Ohr. Mit einem Mal flatterte ihr Herz wie eine aufgestörte Nachtigall, und während sie zurück ins Badehaus lief, schwirrte ihr unablässig nur ein Gedanke durch den Kopf: Don Julius bleibt in Krumau!

  6
     
     
    »Das Badehaus schließen wollt Ihr, Mäjster Bottich? Ist Euer Schädel leck wie altes Fass dort drieben? Habt Ihr ja vor winzigem Stindchen erst aufgesperrt!«
    Dumpf drangen die Laute herab in Flors Verlies. Dielenhölzer knarrten unter schweren Schritten, immer wieder schwappte Wasser in Kübeln, untermalt vom Malmen des Flusses. Dazwischen erklangen die Stimmen der beiden Männer, die sich offenbar nicht einig wurden.
    »Bitte untertänigst um Vergebung, Herr. Heut ist ein besonderer Tag für unsere Stadt.« Des Baders Bassstimme verriet Ungeduld und wachsenden Groll. Im Dunkel seines Kerkers sah Flor den bauchigen Glatzkopf mit dem gewaltigen Schnauzbart wieder vor sich, den das Mädchen vorhin Vater genannt hatte.
    »Wieso besonderer Tag?«, ereiferte sich der zweite Mann, wobei er die Silben absonderlich zerdehnte. »Ist sich geweehnlicher Sonnabend im Mäj!«
    »Nun zeigt doch ein Einsehen, Hochwohlgeboren! Euch wird ja nicht entgangen sein, dass Graf Julius endlich in Krumau eingezogen ist. Da will ich wie jeder andere brave Bürger hinauf zur Burg, um dem neuen Herrn meine Ergebenheit zu bezeigen.«
    »Dem Käjserbastard, wäj, wäj! Könnt ich Euch manches Spottlied aus den Prager Gassen singen, Mäjster Bottich: Den Herren hackt Julius bloß den Kopf ab, den Wäjbern die Brüstchen dazu …«
    »Hütet Eure Zunge, Hezilow!«
    Hezilow! Beim Klang dieses Namens fuhr Flor zusammen. Ein Frösteln überlief ihn, er schob sich noch tiefer in seinen
    Winkel und drückte den Rücken gegen die klamme Kellerwand. Nicht nur der Name, auch die schnurrende Stimme kam ihm mit einem Mal bekannt vor – übel bekannt, auf ganz und gar unheimliche Weise vertraut. Er lauschte in sich hinein und spürte ein Grauen, wie jedes Mal, wenn er an sein Gedächtnis zu rühren wagte. Flüchtig sah er eine gewaltige Halle vor sich, erfüllt von Finsternis und Stille, und weit droben schwebend den riesigen Vogel der Nacht …
    Flor biss die Zähne zusammen und starrte vor sich in die Dunkelheit. Hezilow, dachte er – wenn er sich nur besinnen, endlich besinnen könnte, wo er diesen Namen und diese Stimme schon einmal gehört hatte. Ja wenn überhaupt der Nebel in seinem Innern sich endlich lichten würde! Oder nein, noch nicht, lie-lieber noch nicht …
    »Packt Euch jetzt aus freien Stücken, Hezilow – oder ich kipp Euch mitsamt dem Badewasser aus!« Die helle Stimme des Mädchens, das der Bader vorhin Markéta genannt hatte. Flor hatte sich sofort zu ihr hingezogen gefühlt, schon als er, eingeklemmt zwischen den beiden Bütteln, auf der Torschwelle vor ihr gestanden hatte.
    »Ah, das hibsche Dächderläjn! Immer räjn in den Bottich, Jungfer Markéta. Ist mein Schenkelkratzer schon für sie beräjt!«
    Ein Poltern und Rumpeln erschallte, gefolgt von Schwappen und Zetern.
    »Das hätt’ sie besser nicht getan!«, kreischte Hezilow. »Bin ich Jurij Hezilow, käjserlicher Puppenmacher, geachtet und gefürchtet von Britannien bis Prag!«
    »Ein Missgeschick, Euer Wohlgeboren. Markéta ist versehentlich gegen Euren Bottich gestoßen, seht nur, wie erschrocken sie Euch anstarrt.«
    »Entschuldigen soll sie sich«, keifte der Puppenmacher. »Und zum Zäjchen ihrer Reue einen Kuss – in allen Ehren, wie sich versteht!«
    Abermals erzitterten die Bohlen über Flor, wie unter heftigem Stampfen. »Eher hack ich mir die Hand ab«, rief Markéta aus,
    »als Eure Warzenfratz’ zu herzen. Und nun schert Euch raus!«
    »Wer bist du? Woher kommst du, Flor?«
    Kaum war Hezilow aus dem Tor und das Badehaus hinter ihm verrammelt, da hatte Markéta die Bodentür aufgezogen und Flor zurück ans Licht geholt. Seite an Seite saßen sie seither auf der

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