Der Alchimist von Krumau
dachte d’Alembert, wenn er die Aufgeknüpften hinten im Gewölbewinkel mit eigenen Augen sähe – selbst Julius müsste den Lumpenteufel dann fallen lassen, wenn nicht aus Moral oder Menschenliebe, so zumindest aus Furcht vor der väterlichen Majestät.
Lenka und Fabrio schlichen um den Drachen herum, der mit seiner schwarzen, unverkennbar aus Menschenhaar gewobenen Mähne einen schauerlichen Anblick bot. Unter der Behaarung war ledrige Haut zu sehen, die ein Gerippe feiner Knochen umspannte. Und d’Alembert dachte, dass Hezilow sicherlich den ganzen Apparat aus menschlichen Überresten gefertigt hatte, nicht nur die schwarze Mähne, zumindest entspräche das seinem lumpigen Stil. Denn am Ende, sagte sich der Maître, war Jurij Hezilow eben doch nur ein Puppenmacher, der aus Fäden und Fetzen plumpe Puppen schuf. Nein, der Magister war besiegt und geschlagen, und auch wenn er nun noch versuchte, durch wirre Flucht das Ende hinauszuzögern, so war seine Macht über Geist und Herz von Julius und der väterlichen Majestät doch ein für alle Mal verspielt.
Weiter hinten im Gewölbe bemerkte d’Alembert nun Markéta, die am Boden saß, den Rücken an eine Säule gelehnt. Neben ihr lag ein Alter rücklings hingestreckt, der gewaltige Bauch im Profil emporgewölbt, der kahle Kopf in ihren Schoß gebettet. Selbst aus zehn Schritten Entfernung erkannte d’Alembert, dass es der Bader sein musste.
Er erhob sich, ging auf wackligen Beinen zu ihnen hinüber und beugte sich über Sigmund Pichler, um ihn zu seiner Rettung zu beglückwünschen. Doch dann prallte d’Alembert wie von einer Faust getroffen zurück. In Pichlers Stirn klaffte ein fingerbreiter Spalt.
Er murmelte eine Floskel, die sein Mitgefühl und mehr noch seine Verstörung ausdrückte, wandte sich um und winkte Fabrio herbei.
»Bring mich nach draußen«, sagte er, »ich brauche frische Luft, sonst falle ich auch noch um.«
Seine eigenen Worte schienen ihm geschmacklos, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. Er legte Fabrio einen Arm um die Schultern und schleppte sich durch ein Wirrwarr aus Toten und Verwundeten, Blutpfützen und Scherben, umgestürzten Becken und Tiegeln, aus denen Tinkturen in fieberbunten Farben flossen, auf der ansteigenden Straße dem Gewölbetor entgegen.
Lisetta stolperte ihnen in den Weg, im rußigen Lumpenhemdchen, die dünnen Haare zu dürftigen Goldlocken gelegt. »Maître d’Alembert, ich fleh Euch an – habt Ihr nicht Flor gesehen?«
Er schüttelte den Kopf, und die kleine Zofe blieb zurück. »Als Nächstes muss ein Bote nach Vargasz reiten«, sagte er zu Fabrio, »zur Poststation, wo der Kurier wartet.«
Der Syrakuser nickte, auch über diesen Punkt hatten sie hundertmal gesprochen. »Aber was ist mit Hezilow, Maître? Wenn er zurückkommt oder sich doch noch hier versteckt hält, irgendwo in der Burg?«
Abermals schüttelte d’Alembert den Kopf, schweigend ging er weiter, auf die schmalen Schultern des Knaben gestützt. Er würde mit Julius sprechen, auf der Stelle zu ihm gehen und auf einer Unterredung bestehen. Selbst wenn Julius sich durch nichts anderes mehr lenken ließe, seine Drohung mit dem verzehrenden väterlichen Zorn hatte noch nie versagt, nicht ein einziges Mal in zwanzig Jahren. Es wird Zeit, sagte sich der Maître, allerhöchste Zeit, dass ich Stock und Peitsche wieder in die Hände nehme, die Bändigung des Bastardsohns.
Ganz kurz und sehr beunruhigend sah er den bläulichen Engel vor sich, wie er vor der klaffenden Stirn jener Kreatur schwebte. Was wäre aber, dachte er, wenn Hezilow kein bloßer Betrüger wäre, wenn er tatsächlich die Geheimnisse kannte, wie sich Gold aus Dreck erzeugen ließe und lebendige Menschen aus Tiegel und Pelikan? Wenn er den Nabellosen wahrhaftig erschaffen hätte, nicht nur mit Lug und Blendwerk zum Pseudo-Homunkel dressiert? Ach was, unsinnige Sorgen, sagte sich d’Alembert gleich darauf wieder, Hezilow ist ein schlauer Betrüger, nichts anderes. Gewiss wäre alles sehr viel einfacher, wenn wir den Lumpenteufel und seinen Nabellosen in Gewahrsam hätten, aber ich werde ihm die Augen schon öffnen, seine Furcht vor der väterlichen Wut schüren, dann muss Julius dem Magister abschwören.
Unter derlei schwankenden Erwägungen erreichte d’Alembert endlich das Gewölbetor, stieß mit Fabrios Hilfe Riegel und Balken beiseite und zog beide Flügel auf. Sie traten hinaus auf den Hof, ihre Augen gegen die Nachmittagssonne beschirmend, die vom wolkenlosen Himmel
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