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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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finstere Lehre befahl. In der Stirn jenes Wesens aber klaffte ein fingerbreiter Spalt, der sich von der Nase lotrecht aufwärts zog. Und just als das Seil unter d’Alemberts letztem Axthieb entzweigegangen war, der Ballon mit grellem Scheppern zu Boden stürzte, in Fontänen von Splittern zerplatzte, die Kohleglut zischend erlosch, Qualm sich mit Wasserdampf zu wundersamen Wahngebilden mischte – just da irrte sein Blick zur Kreatur im mittleren Glasballon ab, und ihm war, als ob vor ihrer Stirn ein winzig kleines Menschlein schwebte, durchscheinend, ein bläulicher Engel, nur einen Lidschlag später schon verblasst.
    Erschreckend, dachte d’Alembert nun, wie viele Gehilfen Hezilow in so kurzer Zeit um sich geschart hatte, weit mehr, als sein Futteral an Wurfmessern hergab. Noch einmal zielte er sorgsam, hob die Waffe und sandte den funkelnden Tod zu Unçerek hinab. Die Befreiten würden dafür sorgen, dass keiner ihrer Peiniger entkäme. Gezackte Glasscherben schwingend, tauchten sie aus dem Schatten der Säulen hervor, warfen sich auf die fliehenden Gesellen, schlitzten ihnen die Kehlen auf, noch während sie ihre Beute zu Boden rissen.
    Nur vom Herrn dieser Hölle war kein Wärzlein, keine Stockspitze und kein Lumpensaum mehr zu sehen. Der Puppenmacher ist am Ende, dachte d’Alembert dennoch, auch wenn er selbst nicht dort unten bei seinen Puppen liegt. Auch nach Markéta, Lisetta und den Zwillingen hielt er vergebens Ausschau, und als Charles auch noch der »flammenblaue Engel« wieder in den Sinn kam, wuchs seine Sorge, dass der Magister sich doch noch herauswinden könnte, zu qualvollem Unbehagen.
    Er beschloss zu landen. Erst wenn Hezilow vor der Majestät und ihrem Bastard kniet, dachte er wieder, erst wenn er eingesteht, dass alles schlau ersonnenes Blendwerk war – das Gold, der Nabellose, die Töpfe voll Homunkel –, erst dann ist der Lumpenteufel wahrhaftig besiegt.

  83
     
     
    Das Alchimistenlabor bot einen teils grauen-, teils mitleiderregenden Anblick. Überall reglose Körper am Boden, Lumpenkerle mit Wurfmessern in der Brust oder mit gezackten Schnitten durch die Kehle – tatsächlich war von Hezilows Gesellen nicht ein Einziger mehr am Leben. Zwischen den Leichen saßen die Befreiten auf Schemeln oder lagen der Länge nach im Staub, einander küssend und umarmend, dabei von unerhörten Qualen stammelnd, die der Lumpenteufel ihnen selbst oder ihren Leidensgefährten zugefügt hatte.
    Nur Hezilow hielt sich noch immer verborgen. Lisetta und die Zwillinge waren ein halbes Dutzend unterirdischer Gänge abgelaufen, die vom Felsensaal strahlenförmig in alle Richtungen abzweigten, sich verästelten, in Treppen, Rampen, Schächte mündeten, doch von Hezilow und Flor fand sich nirgends eine Spur. Unabweisbar sah d’Alembert nun seinen Argwohn bestätigt: Sein Widersacher hielt ihn abermals zum Narren.
    Er saß auf einem Schemel inmitten des Labors, die Ellbogen auf seine Knie, den Kopf in die Hände gestützt. Seit er von Hezilows Flugapparat abgestiegen war, empfand er wieder, wie sehr sein Leib vom Fieber verwüstet war. Er spürte ein Summen und Beben in jeder einzelnen Faser, so als ob er noch immer auf dem rüttelnden Untier säße.
    Zweifellos hatte er diese Partie gegen Hezilow gewonnen, warum fühlte er dennoch nicht den schwächsten Triumph? Wieso hatte der Magister die Partie hier unten so bereitwillig verloren gegeben? Weshalb alle eigenen Figuren hingeopfert, Oblion, Tákie und zwei Dutzend ihrer gleichförmigen Kumpane? Warum die Befreiung der gegnerisch Gefangenen hingenommen – alles ohne Gegenwehr?
    Weil der listige Magister wusste, dass das Spiel für ihn verloren war und er nur noch versuchen konnte, durch Flucht sein blankes Leben zu retten? Oder weil er sein Heil nun auf einem anderen Schauplatz suchen würde, beispielsweise am kaiserlichen Hof zu Prag?
    Nur die Ruhe bewahren, mahnte sich d’Alembert, selbst wenn Hezilow durch einen der geheimen Schächte in die Oberwelt entfliehen konnte, war das Spiel gleichwohl für ihn verloren. Wie wollte er schließlich noch verhindern, dass seine abscheulichen Taten ruchbar wurden? Auch die gräflichen Gardisten würden ihm sicherlich nicht beistehen, wenn sie sehen müssten, dass ihre eigenen Freunde, Eltern oder Kinder unter dem Vorwand der Pestilenz verschleppt und hier unten auf teuflische Weise gepeinigt worden waren. Nicht einmal Don Julius, der allzu duldsame, allzu lenkbare Kaiserbastard würde dem Magister noch beispringen,

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