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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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d’Alembert so oft vor ihr gerühmt und Julius noch häufiger verflucht hatte.
    Seite an Seite gingen sie durch den gräflichen Salon zur Fensterwand, wo Julius im burgunderfarbenen Prunksessel saß. Er trug wieder sein scharlachrotes Habit und sogar die nachgebildete Ottonenkrone, die d’Alembert zu seinem Einzug in Krumau hatte schmieden lassen. Seit drei Tagen, seit Hezilow davongeflogen war, thronte Julius von früh bis spät auf diesem Sessel und weigerte sich, auch nur für einen Augenblick die gräflichen Insignien abzulegen. Vor ihm auf der Staffelei stand das farbenfrohe Porträt, das da Biondo nicht mehr hatte vollenden können. Es zeigte den jungen Grafen in stolzer Haltung auf seinem Thron, den Umhang umgeworfen, die Krone blitzend auf seinem Haupt. Anscheinend bemühte sich Julius, Stunde um Stunde in der genauen Haltung seines gemalten Abbildes auszuharren, auch wenn ihm die Krone schwer werden und die Muskeln schmerzen mussten, und auch wenn das Gemälde bloß ein leeres Antlitz zeigte, ohne Augen, Mund oder Nase, allerdings nach unten hin sich verjüngend zum berühmten Habsburger-Kinn.
    »Madame«, sagte er, ohne den Blick von der Staffelei zu wenden, »Ihr steht vor dem König: Auf welche Weise wünscht Ihr uns zu dienen?«
    Die Stradová nahm seine Hände in die ihren. »Julius, mein lieber Sohn«, sagte sie leise, »ich bin es, Eure Mutter, bitte schaut mich an.«
    »Wohin wir auch schauen, wir erblicken die Majestät: Uns selbst«, gab Julius in würdevollem Ton zurück. Weiterhin haftete sein Blick auf dem unfertigen Gemälde, und für einen Moment schien es Markéta, als ob er gleich wieder in Tränen ausbrechen würde.
    Das war in den letzten Tagen mehrmals geschehen, wie ein Wildbach, wie der Schmerz eines kleinen Kindes, wie die Angst eines verstörten Tieres brachen die Tränen dann aus ihm hervor. Seine Trauer bereitete ihr selbst fast unerträgliche Qualen, dagegen erschien ihr die Verdunklung seines Geistes fast wie eine Gnade. Auch wenn er in seinem Königswahn nur noch mit sich selber umzugehen schien, litt er so zumindest weder Angst noch Schmerzen.
    »Er erkennt Euch nicht, Madame«, sagte sie, »er erkennt niemanden. Aber wartet nur«, fuhr sie hastig fort, »lasst Eure Nähe nur ein wenig auf ihn wirken, dann wird sein Geist sich wieder lichten.«
    Julius entzog der Stradová seine Hände und rieb sie mehrfach gegeneinander, als ob er sie reinigen wollte. Dann nahm er seine frühere Haltung wieder ein, gerade aufgerichtet, auch das Haupt mit der Krone so stolz emporgereckt wie bei seinem leeren Ebenbild.
    »Aber man muss das Werk wegnehmen!«, rief Katharina aus. Für einen Moment schien sie die Fassung zu verlieren. »Man muss das Werk wegnehmen, sonst büßt er tatsächlich noch den Verstand ein!«
    Sie machte einen Schritt zur Staffelei hin, ihr Kleid rauschte und glitzerte wie eine Winterwolke, die am Himmel blendend hell vorüberzieht. Als sie ihre Hand hob, um das Bild von der Staffelei zu nehmen, begann Julius zu schreien.
    »Die Finger von unserm Spiegel, Krötenweib! Scher sie sich weg, sonst lassen wir sie filetieren! Die Brüstchen gebraten, das Ärschlein gebacken, die Fotz mit Kastanienpaste gestopft!«
    Katharina machte förmlich einen Satz zur Seite; im selben Moment verstummte Julius und kehrte zu seiner früheren Haltung zurück. Nun glitzerten tatsächlich Tränen in den Augen der mütterlichen Mätresse. Markéta warf ihr einen fragenden Blick zu und deutete zu den Fauteuils auf der anderen Seite des Salons.
    »Wir sind der König«, sagte Julius auf seinem Thronsessel.
    »Auf welche Weise wünscht Ihr uns zu dienen?«
    »Auf jede erdenkliche Weise, Majestät, die Euch und Eurem Reich von Nutzen ist.« Markéta lächelte ihn an, und obwohl er unverwandt auf das Gemälde starrte, schien es ihr, als ob über sein Gesicht ein schwaches Leuchten zöge.
    Sie setzten sich auf die Sessel vor Julius’ Kamin, über dem riesenhaft das Rosenberger Wappen prangte. »So ist er seit drei Tagen«, sagte Markéta, die nun auch nicht mehr an sich halten konnte. Sie tupfte sich mit einem Tuch über die Augen, dann schniefte sie, jede Noblesse vergessend, kräftig hinein. »Seit Monsieur d’Alembert ihm berichtet hat, dass Magister Hezilow davongeflogen ist.«
    »Geflohen, wolltet Ihr sagen.« Wie aufs Stichwort trat der baumlange Oberst Hoyos durch die Tür, gefolgt von Julius’ Kammerdiener Robert, der hinter seinem Rücken halbherzig buckelte. »Ihr schenkt doch den

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