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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Mann, »mein Name ist Sigmund Pichler, ich bin der Bader von Krumau und gekommen, um dem Herrn sein Besitztum zurückzubringen.« Unter diesen Worten, die er mit dröhnender Bassstimme, wenngleich einigermaßen kurzatmig hervorstieß, schritt er langsam in den Saal, Markéta und den Jüngling vor sich herschiebend. »Dieser künstliche Knabe wurde mir von den Bütteln übergeben«, sprach er weiter, »und ich nehm doch an, dass er Euch entlaufen ist, durchlauchtigste Gnaden?«
    Julius sprang von seinem Sessel auf, scheppernd fiel das Rosenberger Schwert zu Boden. »Künstlicher Knabe?«, wiederholte er, nun am ganzen Leib heftig zitternd. Vor seinem geistigen Auge sah er wieder den tönernen Kerl aus seinem Traum, unter den Knotenstern geduckt, während Mariandls Sternengucker in seinem Innern krächzte: »Ein Erleuchteter wird zu Euch kommen, mit einer künstlichen Figur, aber nicht in Prag!«
    »Sehr wohl, Herr Graf«, brummte der Bader und brachte das Mädchen und den Burschen vor dem Grafenthron zum Stehen.
     

  12
     
     
    Markéta spürte die Anspannung in Flors Körper, der sich zitternd an ihre rechte Seite drückte. Aber sie war entschlossen, sich den Verstand nicht verwirren zu lassen, auch wenn die fremdartige Umgebung all ihre Sinne überreizte. Gerüche, die ihre Nasenflügel erbeben ließen – indische Moschussüße, dachte sie, sich an einen Liedvers erinnernd –, ein Tuscheln und Wispern in fremden Zungen – spanisch und französisch, wie sie annahm, jedenfalls verstand sie kaum eine Silbe –, dazu das Rascheln von Seide, die schreiend bunte Kleidung der Damen und Herren und, greller noch, die bronzene Nacktheit der beiden Schwarzgelockten, Knabe und Mädchen, die zu Füßen des Grafen hingekauert saßen.
    Don Julius war auf seinen Sessel zurückgesunken, das riesenhafte Schwert lag unbeachtet neben ihm am Boden. Er sieht traurig aus, dachte Markéta, gefährlich, aber mehr noch trübselig wie ein gefangener Wolf. Freimütig erwiderte sie seinen Blick, wie vorgestern früh auf der Brücke. Aber warum nur schaute er sie unablässig an, während der Vater doch die ganze Zeit von Flor sprach?
    »… wurde mir dieser Bursche heute früh von den städtischen Bütteln ausgehändigt, durchlauchtigster Herr«, rapportierte der Bader, »da sie ihn ohne Bewusstsein aufgefunden hatten und annahmen, dass er verletzt sei.« Seine heilkünstlerische Untersuchung, fuhr er fort, habe keine Wunde zutage gefördert, sondern – wie solle er sagen – das blanke Gegenteil. Seine Linke krampfte sich in Markétas Schulter, jählings beugte er sich nach vorn, packte Flors Umhang und riss ihn bis zum Hals des Überrumpelten empor.
    Die Wirkung war ungeheuerlich. Alle fünf Dutzend Personen, die im Saal zusammengedrängt waren, begannen fast gleichzeitig durcheinander zu schreien. Dabei hatte kaum jemand »das blanke Gegenteil« wirklich gesehen.
    »Ein Affenfell!«, rief einer und hätte schwerlich ärger danebenzielen können.
    »Ein Hermaphrodit!«, trumpfte ein anderer auf, wurde jedoch gleich niedergeschrien von einem wohlgenährten Edlen, der mit rotem Kopf und donnernder Bassstimme ausrief: »Ja, habt ihr keine Schlitze im Schädel, ihr böhmischen Knödelbarone – der Bursche ist ein Kunstmensch aus Rädern und Metall!«
    »Affenfe-fell«, repetierte Flor in bekümmertem Tonfall, dabei heftig mit dem Bader rangelnd, »Rä-räder und Metall!« Da ging mit lautem Ratsch der Umhang samt Lumpenhemd zuschanden. Bis zum Gürtel entblößt stand Flor vor dem Grafenthron, am ganzen Leib zitternd und den Tränen nah.
    »Aufhören, ich befehl’s!« Don Julius sprang abermals von seinem Prunksessel auf, so heftig, dass ihm die Silberkrone fast vom Haupt fiel. Mit einer Hand drückte er sie auf seinen Schopf zurück, mit der andern deutete er in die Menge. »Raus, ihr alle, auf der Stelle, schert euch weg!« Seine Stimme überschlug, sein Gesicht verzerrte sich, alles Geschrei erstarb so jählings wie unter der Fliegenpatsche.
    Erstaunt beobachtete Markéta, wie die edlen Herrschaften ihre gepuderten Köpfe einzogen und ohne ein Widerwort aus dem Saal liefen. Hinter ihnen schlugen die Türflügel in den Rahmen, kaum mehr als einen Herzschlag, nachdem Don Julius seinen Befehl hervorgestoßen hatte, war er mit dem Bader, Flor und Markéta allein.
    Abgesehen von dem sehnigen Herrn in mehlfarbener Perücke und weiß gelackter Weste, der mit seinem Stöckchen wie mit einem Fechterdegen auf den nabellosen Knaben deutete:

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